Nichttheologische Mitarbeiterschaft

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fügte sich die Diakonie in den entstehenden Sozialstaat ein und geriet damit in den Sog jener Basisprozesse der Moderne, die seither für die Systeme sozialer Sicherung grundlegend sind: Verrechtlichung, Bürokratisierung, Spezialisierung, Verwissenschaftlichung, Medizinalisierung, Pädagogisierung und Ökonomisierung. Wollten die Einrichtungen und Verbände ihren Platz im modernen Sozialstaat behaupten, so mussten sie auf „professionelle“ Fachleute zurückgreifen. Die Professionalisierung und Verberuflichung diakonischer Arbeit war damit unabweisbar geworden. In den Vorständen und Verwaltungsräten der einzelnen Institutionen kam – neben den ehrenamtlichen Vertretern eines kirchennahen Bürgertums – den „Berufsarbeitern der Inneren Mission“, in der Regel fest angestellten protestantischen Pfarrern, die für eine gewisse Zeit den landeskirchlichen Dienst verließen, schon früh eine besondere Bedeutung zu. Aber auch in der praktischen Pflege-, Fürsorge- und Erziehungstätigkeit griff man bald auf hauptberufliche Kräfte zurück.

Der Verberuflichungs- und Professionalisierungsprozess im Bereich der Diakonie weist mehrere Besonderheiten auf: Erstens blieb die Doppelstruktur von Ehrenamt und professioneller Tätigkeit lange Zeit, im Grunde bis heute, erhalten. Charakteristisch war, zweitens, die Doppelstrategie, einerseits Fachleute „von außen“ heranzuziehen, andererseits in eigenen, staatlich anerkannten Ausbildungsgängen geeignete Fachkräfte auszubilden. Es gehörte, drittens, zu den langlebigen Strukturmerkmalen, dass trotz des verstärkten Einsatzes neuer Berufsgruppen Diakonissen und Diakone in vielen Arbeitsfeldern nach wie vor stark vertreten blieben – daraus ergab sich ein besonderer Pfad der Verberuflichung. Schließlich lässt sich, viertens, eine grundlegende Konfliktstruktur erkennen, die sich aus der Spannung zwischen dem theologischen Leitungsanspruch der in der Inneren Mission tätigen Geistlichen und der professionellen Fachkompetenz der nichttheologischen Berufsarbeiter(innen) ergab.

Medizinische und pflegerische Berufe

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert entwickelten sich die Pflege psychisch Kranker, geistig Behinderter, Epilepsiekranker, Suchtkranker und Körperbehinderter sowie das Krankenhauswesen und die Gesundheitsfürsorge zu zentralen Arbeitsfeldern der evangelischen Diakonie. Damit ging ein sprunghafter Bedeutungszuwachs der Medizin einher. Die Krankenanstalten der evangelischen Diakonie mussten sich zusehends einer neuen, von außen kommenden Profession öffnen: den Ärzten. Diese brachten spezifische professionelle Interessen mit:

Erweiterung beruflicher Autonomie. Hier ging es der Ärzteschaft vor allem darum, sich Handlungsspielräume gegenüber den geistlichen Vorständen, den Gruppen der Pastoren sowie der Wirtschafts- und Verwaltungsfachleute zu erschließen – an eine ärztliche Anstaltsleitung, wie man sie in staatlichen Einrichtungen anstrebte, war in den Anstalten der Diakonie nicht zu denken. Legitimiert wurde der Anspruch auf berufliche Autonomie durch die Berufung auf das medizinische Expertenwissen und ein spezifisch ärztliches Berufsethos. Durch eine beamtenähnliche Stellung mit festen Dienstverträgen, unbefristeter Anstellung, Pensionsansprüchen und einem Gehaltsniveau, das eine „standesgemäße Lebensführung“ ermöglichte, sollte die berufliche Autonomie auch materiell abgesichert werden. Vereinheitlichung des Qualifikationsprofils. Durchsetzung des ärztlichen Behandlungsmonopols gegenüber anderen in den Krankenanstalten der evangelischen Diakonie tätigen Berufsgruppen. Einen der Hauptkonfliktpunkte bildete die Frage, inwieweit die Diakonissen und Diakone der ärztlichen Weisungsbefugnis unterworfen sein sollten. Anerkennung des medizinischen Konzepts von Krankheit und Behinderung.

Bei der Durchsetzung dieser Interessen wurden die Ärzte der evangelischen Anstalten nicht nur von ihren Berufsverbänden, sondern auch vom Staat unterstützt, der seit den 1890er Jahren kontrollierend und normierend in den Bereich der karitativen Krankenanstalten eingriff. Dies barg ein erhebliches Konfliktpotential in sich, lagen die professionellen Interessen der Ärzteschaft doch teilweise quer zur angestammten Aufgabenstellung und Zielsetzung der Diakonie. Man versuchte, den Einbruch der Medizin und der Mediziner in das religiös geprägte Mikromilieu dadurch abzufangen, dass man durch ein sorgfältiges Auswahlverfahren solche Ärzte in den Anstaltsdienst zog, die der in der Inneren Mission praktizierten Religiosität nahe standen. Trotzdem kam es immer wieder zu heftigen Konflikten. Bis in die Zeit nach 1945 versuchte man von Seiten der evangelischen Krankenanstalten, den Typus des „christlichen Arztes“ zu retten, doch scheiterten diese Versuche schließlich an der in den 1950er Jahren einsetzenden „Assistentennot“.

In dem Maße, wie sich im 19. Jahrhundert aus der Armen- und Siechenbetreuung, die bis dahin in Hospitälern geleistet worden war, die Krankenversorgung in Allgemeinen Krankenhäusern ausdifferenzierte, stieg der Bedarf an fachkundigen Pflegekräften. Dabei vollzogen sich die Anfänge der modernen Krankenpflege innerhalb der beiden christlichen Konfessionen, am Anfang des 19. Jahrhunderts zunächst auf katholischer Seite durch die nach dem Vorbild der französischen Barmherzigen Schwestern entstehenden Pflegeorden, auf evangelischer Seite durch das von Theodor Fliedner 1836 eröffnete Diakonissenmutterhaus Kaiserswerth. Durch Aussendung der Kaiserswerther Diakonissen und Gründung weiterer Diakonissenmutterhäuser breitete sich die in Kaiserswerth entwickelte Pflegediakonie rasch aus.

Der wachsende Bedarf der Allgemeinen Krankenhäuser und der Gemeindediakonie an fachkundigen Pflegerinnen sowie der Einfluss der bürgerlichen Frauenbewegung, die der „christlichen Liebestätigkeit“ der Diakonissen kritisch gegenüberstand, führten dazu, dass sich am Ende des 19. Jahrhunderts zwischen der Mutterhausdiakonie und den freiberuflichen Schwestern, die sich in der 1903 unter Vorsitz von Agnes Karll gegründeten Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands formierten, die Schwesternschaft des Evangelischen Diakonievereins herausbildete. Der von Friedrich Zimmer 1894 gegründete Verein verstand sich nicht als Konkurrenz zur Mutterhausdiakonie, versuchte er doch, Frauen und Mädchen aus den „gebildeten Ständen“ an sich zu binden, die sich von der Mutterhausdiakonie nicht angesprochen fühlten. Die Grundidee Zimmers, die sich als „Diakonie an Frauen durch Frauen“ umreißen lässt, trug dem Streben nach persönlicher Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung Rechnung. Dazu gehörten die freie Arbeitsplatzwahl, ein Bargehalt und eine Altersversorgung, womit er die Verberuflichung der Krankenpflege energisch vorantrieb. Gleichzeitig jedoch siedelte er seine Schwesternschaft ganz bewusst im Raum der evangelischen Diakonie an, da er zwischen Beruf und christlicher Liebestätigkeit keinen prinzipiellen Gegensatz sah. Neue Wege beschritt der Diakonieverein in der Ausbildung, indem er die fachlichen Ausbildungsstätten in kommunale Krankenhäuser verlegte. Die Ausbildung wurde den sich ändernden Aufgabenstellungen angepasst, nach dem Inkrafttreten der ersten preußischen Prüfungsordnung 1907 endete sie mit der staatlichen Anerkennung. Aus den Absolventinnen der Diakonieseminare und Zugängen aus den Mutterhäusern formte sich die Schwesternschaft des Diakonievereins mit Sitz in Berlin-Zehlendorf. Sie wurde zum Vorbild für weitere Schwesternschaften, die sich 1916 zur Zehlendorfer Konferenz zusammenschlossen. 1933 umfasste sie 15 Schwesternschaften mit insgesamt rund 6.200 Schwestern. Auch die Mutterhausdiakonie konnte sich dem Trend zur Verberuflichung letztlich nicht entziehen. 1925 wurde mit Unterstützung der Mütterhäuser in Bethel, Bremen und Rothenburg die Ansgarschwesternschaft in Bremen begründet, die erste selbständige Hilfsschwesternschaft, die dem Kaiserswerther Verband angeschlossen war.

Die Diakoniegemeinschaft, zu der sich die evangelischen Schwesternverbände unter dem Druck des NS-Regimes im Herbst 1933 zusammenschlossen, umfasste rund 47.000 Diakonissen und Schwestern. In dieser Zahl zeichnet sich die immense Bedeutung ab, die das Berufsfeld der Krankenpflege für die evangelische Diakonie mittlerweile angenommen hatte. Der Prozess der Verberuflichung ist auf diesem Feld nur mühsam vorangeschritten. Dies dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass die Krankenpflege, als sie endlich als Beruf aufgefasst wurde, lange Zeit als Frauenberuf galt. Zu verweisen ist freilich auch auf die wichtige Rolle der männlichen Diakonie bei der Herausformung des Berufsbildes des „Krankenpflegers“. Die Zahl der in der Krankenpflege tätigen Diakone war jedoch im Vergleich zu der der Diakonissen und Zehlendorfer Schwestern gering.

Die Benachteiligung von Frauen auf dem Gebiet der Erwerbsarbeit wirkte sich hemmend auf die Fortentwicklung der Pflegeberufe aus. Weder im Kaiserreich noch in der Weimarer Republik kam es zu einer reichseinheitlichen, verpflichtenden Regelung für die Ausbildung und Prüfung des Krankenpflegepersonals. Dies geschah erst durch das 1938 erlassene Gesetz zur Ordnung der Krankenpflege. Doch blieben Kernprobleme des Verberuflichungsprozesses – die Anhebung der Zugangsvoraussetzungen zur Krankenpflegeausbildung, die Verlängerung der Ausbildungszeiten und die Vertiefung der Ausbildungsinhalte nach der theoretischen Seite hin – ungelöst. Sie zogen sich auch noch nach 1945 durch die gesamte Diskussion der Neuregelung der Krankenpflege, wobei die Interessenverbände der Diakonie lange bremsend auf den Verberuflichungsprozess einwirkten. Erst mit dem Gesetz über die Berufe der Krankenpflege im Jahre 1985 wurde die dreijährige Fachschulausbildung festgeschrieben – die Diakonie reagierte mit dem Aufbau eigener Fachschulen.

Sozialfürsorgerische Berufe

Außer Ärzten und krankenpflegerischen Berufen kam innerhalb der Diakonie den sozialfürsorgerischen Berufen eine wachsende Bedeutung zu. Ansätze zur Herausbildung dieses Tätigkeitsfeldes hatte es bereits im 19. Jahrhundert gegeben: etwa in Form der Fürsorge für arme Kinder in Rettungshäusern, Nähschulen, Strickschulen usw., aber auch im Rahmen der Mäßigkeitsbewegung, der Arbeiterkolonien und der allgemeinen Armenpflege. Erfolgte die Fürsorge für arme Kinder zum Teil bereits von eigens eingestellten „Hauseltern“ oder weiblichen bzw. männlichen „Erziehungsgehilfen“ in den Rettungshäusern, basierte die allgemeine Armenpflege weitgehend auf der Tätigkeit ehrenamtlicher Armenpfleger. Diese wurden sukzessive unterstützt von Diakonen und anderen Helfern, sog. „Brüdern“, die aus den freien Werken des Protestantismus kamen und nicht selten in den Stadtmissionen arbeiteten.

Der entscheidende Wandel vom ehrenamtlichen Engagement zum profesionellen Handeln sowie die Ausrichtung des sozialfürsorgerischen Sektors vornehmlich auf Frauen erfolgten jedoch erst mit der Einrichtung der Sozialen Frauenschulen, die sich an junge Frauen mindestens mit Mittelschulabschluss wandten. Die erste evangelische Frauenschule wurde 1905 in Hannover vom Deutschen Evangelischen Frauenbund gegründet. Unter dem Dach der Inneren Mission entstanden bis 1929 insgesamt 14 solcher Frauenschulen. Zwischenzeitlich waren auch vier Wohlfahrtsschulen für Männer hinzugekommen, was aber nichts daran änderte, dass der sozialfürsorgerische Sektor vor allem von Frauen geprägt blieb.

Das Berufsbild der Absolventinnen der Sozialen Frauenschulen blieb relativ unspezifisch. Sie konnten auf den Feldern der Gesundheitsfürsorge (Familien-, Mütter- und Säuglings-, Tuberkulose- und Wohnungsfürsorge), der Jugendwohlfahrtspflege (zum Beispiel in kommunalen und kirchlichen Jugendämtern, als „Polizeiassistentin“ oder in Einrichtungen für „sittlich gefährdete und verwahrloste Jugendliche“) sowie der Wirtschafts- und Berufsfürsorge (in Wohlfahrts-, Wohnungs-, Berufs- und Gewerbeaufsichtsämtern oder in der Fabrikwohlfahrtspflege) arbeiten. In der Inneren Mission arbeiteten sie oft als Leiterinnen und Erzieherinnen in Kinder- und Mädchenheimen, als Jugendpflegerinnen in den Kirchengemeinden oder in der Bahnhofsmission. Der unspezifischen Ausrichtung entsprach zunächst auch die offizielle Berufsbezeichnung. So hatten sich die in den sozialen Frauenschulen ausgebildeten evangelischen Frauen in einem Verband als „Berufsarbeiterinnen der Inneren Mission“ zusammengeschlossen – ab 1920 bürgerte sich die Bezeichnung „Wohlfahrtspflegerin“ ein.

Daneben hatte sich der Beruf der Gefängnisbeamtin herausgebildet. Bereits von Johann Hinrich Wichern zu einer zentralen Aufgabe evangelischer Diakonie erklärt, war 1891 vom Centralausschuss für Innere Mission eine „Kommission zur Ausbildung von Gefangenenaufseherinnen“ gebildet worden. Bis Ende der 1920er Jahre wurden etwa 500 Frauen mit Volksschulabschluss zu Gefangenenaufseherinnen ausgebildet. Die Mehrzahl arbeitete danach in preußischen Strafanstalten, ein kleinerer Teil in Erziehungseinrichtungen der Inneren Mission für die „gefährdete und gefallene weibliche Jugend“. Seit 1907 weitete die Kommission ihre Tätigkeit auch auf die Ausbildung von „Erziehungsgehilfinnen“ aus. Daraus entwickelte sich in den 1920er Jahren der Beruf der „Fürsorgeerzieherin“.

In der Zeit des Nationalsozialismus stockten alle diese Ausbildungsgänge. Zum Teil kam es zu einer „Perversion von Berufszielen und Berufsaufgaben“, so dass die Sozialarbeit nach 1945 an die in der Weimarer Republik geschaffenen Ansätze neu anknüpfen musste. Dabei war es typisch, dass durch den weitgehenden Verzicht des Staates, eigene Schulen für Sozialarbeit zu unterhalten, der Einfluss konfessioneller Wohlfahrtsschulen noch lange Zeit die Sozialarbeit maßgeblich bestimmte. Eine grundlegende Neuentwicklung auf dem Feld der Sozialarbeit ergab sich erst durch die beiden großen Ausbildungsreformen von 1959 und 1971, deren Elemente sowohl in der Vereinheitlichung und Verlängerung als auch in der Akademisierung und im Bedeutungszuwachs nichtkonfessioneller Ausbildungsträger (öffentliche Fachhochschulen und Gesamthochschulen) bestand.

Sozialpädagogische Berufe

Die Innere Mission trug maßgeblich auch zur Konstituierung eines professionellen sozialpädagogischen Berufsfeldes bei. Im Bereich der Kindergärtnerinnenausbildung ließ sich an die von Johann Friedrich Oberlin, Theodor Fliedner und Friedrich Fröbel begründeten Entwicklungslinien anknüpfen. Zusätzlich entstand seit der Jahrhundertwende aus dem Zusammenwirken von Staat und freien Trägern der Beruf der „Hortnerin“. Ein verwandter, aber an niedrigere Eingangsvoraussetzungen geknüpfter Beruf war der der „Kinderpflegerin“, deren Aufgabengebiet in der Unterstützung der häuslichen Erziehung lag. Auf diesen Berufsbildern aufbauend, entwickelte sich seit dem Ende des Kaiserreichs der Beruf der „Jugendleiterin“. Bei bedeutend höheren Zugangsvoraussetzungen sollten diese Frauen leitende Positionen in Kindergärten, Horten oder Kinderheimen übernehmen. In der Praxis kamen schon bald Unterrichtsaufgaben an Frauenschulen, Kindergärtnerinnenseminaren, Kinderpflegerinnenschulen u.a. hinzu. Sie arbeiteten ferner als Referentinnen in Wohlfahrts- und Jugendämtern oder in den Verbänden der Freien Jugendfürsorge. Mit der Jugendleiterin war der Vorläuferberuf der späteren Sozialpädagogin bzw. des Sozialpädagogen geschaffen, zunächst mit höherer Fachschulbildung (1956) und später mit Fachhochschulbildung (1971).

Verwaltungs- und Wirtschaftsberufe

In dem Maße, wie betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte in den Einrichtungen der Inneren Mission Platz griffen, benötigte man Verwaltungs- und Wirtschaftsfachleute, die man in der Regel aus Ausbildungsgängen und Berufsfeldern außerhalb der Inneren Mission hereinholte. Eine Ausnahme stellten die Arbeiter- und Gewerkschaftssekretäre in den Evangelischen Arbeitervereinen und Christlichen Gewerkschaften dar, die auf der Evangelisch-Sozialen Schule (seit 1912 in Bethel, seit 1921 im Evangelischen Johannesstift in Berlin-Spandau) ausgebildet wurden.  Diese Ausbildungsstätte fand nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Fortsetzung in der Evangelischen Sozialakademie Friedewald. Das geschlechtsspezifische Pendant stellte die Sekretärinnenausbildung dar, die vom Gesamtverband der evangelischen Arbeiterinnenvereine organisiert wurde. Die Zunahme des Universitätsstudiums für Frauen hatte zur Folge, dass seit den 1920er Jahren vor allem Juristinnen und Nationalökonominnen eine Beschäftigung in der Inneren Mission fanden.

Die zunehmende Bürokratisierung und Ökonomisierung der Anstaltsgeschäfte führten dazu, dass vor allem die Leitungsfunktionen immer mehr mit qualifiziertem Verwaltungspersonal und Wirtschaftsfachleuten besetzt werden mussten. In den 1930er Jahren wurde vor allem die Frage einer planmäßigen Wirtschaftsführung und –prüfung der Anstalten der Inneren Mission relevant. Zu diesem Zweck entstanden in allen Landes- und Provinzialverbänden sog. „Treuhandstellen der Inneren Mission“. Diese Arbeit wurde in den 1930er/40er Jahren zumeist mit einem hauptamtlichen Geschäftsführer der jeweiligen Treuhandstelle sowie weiteren ehrenamtlichen Kräften aus den Anstalten in Angriff genommen. Sie weitete sich nach dem Zweiten Weltkrieg stetig aus.

An die Verwaltungsleiter, die nach und nach anstelle der „Büroschwestern“ die Verwaltungsgeschäfte übernahmen, wurden zunehmend erhöhte Anforderungen gestellt. Eine herausragende Bedeutung kam unter ihnen seit den 1930er Jahren Johannes Kunze zu, Verwaltungschef der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, Schatzmeister des Centralausschusses für Innere Mission in Berlin und hauptamtlicher Geschäftsführer der Westfälischen Treuhandgesellschaft – er wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Bundestagsabgeordneter zum „Vater des Lastenausgleichs“.

Ausblick

Die 1960er/70er Jahre markierten eine tiefe Zäsur in der Mitarbeiterstruktur diakonischer Einrichtungen. Die religiösen Genossenschaften, die vielerorts bis dahin den Belegschaftsstamm gestellt hatten, litten an Nachwuchsmangel und waren nicht mehr in der Lage, in ausreichendem Maße Diakonissen und Diakone zu stellen. Die Folge war, dass immer mehr „freie Kräfte“ angeworben werden mussten und immer neue Berufsgruppen in den von diakonischen Trägern betriebenen Krankenhäusern, psychiatrischen Kliniken und Einrichtungen der Behindertenhilfe tätig wurden, zum Beispiel Lehrer, Erzieher, Heilpädagogen, Psychologen, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, die handwerklichen Mitarbeiter in den Werkstätten für Behinderte.

Der gegenwärtige Strukturwandel wirft die Frage auf, ob der seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts laufende Prozess fortschreitender Professionalisierung diakonischer Arbeit nicht allmählich an seine Grenzen stößt. Wie eingangs erwähnt, hat sich die Doppelstruktur von Ehrenamt und professioneller Tätigkeit in der Diakonie über eineinhalb Jahrhunderte erhalten, und es gibt Stimmen, die für eine erneute Aufwertung des Ehrenamtes und für eine engere Verzahnung ehrenamtlicher und professioneller Arbeit plädieren. An solche Kooperationsverhältnisse knüpfen sich bisweilen weit ausgreifende Zukunftsentwürfe, die etwa für eine sozialpolitische Trendwende vom Wohlfahrtsstaat zur Wohlfahrtsgesellschaft plädieren. Unter dem Gesichtspunkt der strukturellen Überlastung des modernen Sozialstaates, auch vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden „Endes der Arbeitsgesellschaft“ und mit Blick auf die in einem solchen Plädoyer offensichtlich mitschwingende Kritik an professionellen Strukturen (verbunden mit der Forderung nach größeren Partizipationsmöglichkeiten der Klienten) haben solche Entwürfe manches für sich. Auf der anderen Seite bergen sie aber auch – vor dem Hintergrund der sich anbahnenden neoliberalen Trendwende in der Wirtschafts- und Sozialpolitik – die Gefahr einer Deprofessionalisierung unter Kostendruck zu Lasten des im modernen Sozialstaat erreichten Qualitätsstandards in sich. Ob sich eine differenzierte Gesellschaft die Rücknahme von Professionalität im Sinne hochgradig spezialisierter Berufsarbeit leisten kann, oder umgekehrt: ob klassische Professionen und Berufe in der postmodernen Gesellschaft zu Auslaufmodellen werden und durch andere Formen von Qualifikation und Kompetenz, Kooperation und Partizipation ersetzt werden müssen, wird die Zukunft erweisen.

Autor: Hans-Walter Schmuhl und Frank-Michael Kuhlemann

Literatur:

Frank-Michael Kuhlemann/Hans-Walter Schmuhl (Hg.), Beruf und Religion im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 2003.

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