Illustration Hilfe für Sterbende
© Diakonie/Francesco Ciccolella

Anstieg assistierter Suizide – Warum wir jetzt eine klare gesetzliche Regelung brauchen

Dr. Daniel Burchardt

Seitdem das Bundeverfassungsgericht § 217 StGB im Jahr 2020 als verfassungswidrig erkannte, nimmt die Zahl assistierter Suizide in Deutschland stetig zu. Sterbehilfeorganisationen verzeichnen jährlich zunehmende Anfragen und Fälle. Mit der neuen Freiheit kommen Gefahren, denen der Gesetzgeber angemessen zu begegnen hat. Die Diakonie hat dazu Forderungen entwickelt.

Das Bundesverfassungsgericht räumt jedem Menschen das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein, sofern der Entschluss freiverantwortlich gefasst ist. Den konkreten Schutz der Freiverantwortlichkeit liefert das Urteil aber freilich nicht. Daraus resultiert ein Dilemma: Zum einen soll der Wille sterbewilliger Menschen respektiert werden, zum anderen fehlen verbindliche Verfahren, um die Freiverantwortlichkeit wirksam sicherzustellen. Ohne klare Leitlinien ist nicht garantiert, dass Betroffene in ihrer Entscheidung umfassend beraten werden und Zugang zu Alternativen wie palliativer oder psychosozialer Unterstützung haben. Auch ist ohne klare Leitlinien nicht sicherzustellen, dass Freiverantwortlichkeit in jedem einzelnen Fall wirklich gegeben ist. Insbesondere ältere, kranke oder behinderte Personen sind hier besonders gefährdet. Zwar lagen dem Bundestag unterschiedliche parteiübergreifende Gesetzentwürfe vor, doch im Juli 2023 scheiterten Vorschläge einer Neuregelung der Suizidassistenz im Parlament.

Es steht daher zu befürchten, dass ein Teil der derzeit zunehmend ausgeführten Suizidwünsche nicht auf freiem Willen beruht. Einsamkeit, Versorgungsmängel oder das Gefühl, der Gesellschaft zur Last zu fallen, dürfen keinesfalls zu einer beschleunigten Entscheidung für einen assistierten Suizid führen. Suizidassistenz darf also nicht zu einem neuen Normal für verzweifelte Menschen werden, sondern muss immer Ultima Ratio bleiben – eingebettet in ein gesellschaftliches Klima und eine Infrastruktur, die Lebenskrisen auffangen und Alternativen aufzeigen können.

Auch Pflegekräfte und ärztliches Personal können in schwierige Situationen kommen: Werden sie mit Wünschen nach assistiertem Suizid oder gar dem Versuch eines solchen konfrontiert, möchten sie Betroffene bestmöglich unterstützen, sind aber ohne gesetzliche Vorgaben häufig unsicher, welche Schritte sie gehen dürfen bzw. müssen.

Vor diesem Hintergrund braucht es dringend eine gesetzliche Regelung, die Rechtssicherheit für alle Beteiligten schafft und insbesondere klar regelt, wie Beratung und Begutachtung zu gestalten sind. Nur so lässt sich gewährleisten, dass weder der Schutz vulnerabler Menschen noch das Recht auf Selbstbestimmung aus dem Blick gerät.

Die Diakonie Deutschland plädiert deshalb für ein strukturiertes Konzept, in dem anspruchsvolle Suizidprävention fest verankert ist und ein standardisiertes Beratungs- sowie Begutachtungsverfahren etabliert wird. Dieses Verfahren muss so ausgestaltet sein, dass die persönliche Freiheit respektiert und gleichzeitig der Schutz vulnerabler Menschen sichergestellt wird. Zu den zentralen Anforderungen gehören:

Näher zu den Forderungen der Diakonie Deutschland im Einzelnen:

https://www.diakonie.de/diakonie_de/user_upload/diakonie.de/PDFs/Presse/2022_05_10_Forderungspapier_Gesetzesentwuerfe_assistierter_Suizid_fin.pdf

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