Zwischen Selbstbestimmung und Schutz:

Was bleibt nach fünf Jahren ohne § 217 StGB?

Dr. Jutta Ataie | 26.02.2025

Vor fünf Jahren erklärte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidassistenz für verfassungswidrig. Seitdem ist viel passiert – und doch ist wenig geklärt. Die Suizidassistenz nimmt zu, während die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Prävention, Begleitung und dem Schutz vulnerabler Gruppen weiterhin unzureichend bleibt.

Würde im Alter: Die unterschätzte Dimension der Suizidprävention

Wenn Menschen den Suizid als besten Ausweg sehen, liegt das oft nicht nur an Schmerzen oder einer schweren Krankheit. Isolation, das Gefühl, niemandem zur Last fallen zu wollen, oder mangelnde pflegerische Versorgung spielen eine zentrale Rolle. Suizidprävention beginnt also nicht erst mit einer wie auch immer gearteten „Beratung“, sondern mit einer Gesellschaft, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen auffängt, soziale Netzwerke stärkt und würdevolle Pflegeangebote schafft.

Regulierung als Balanceakt: Zwischen Schutz und Eigenverantwortung

Ohne klare gesetzliche Regelungen bleibt die Suizidassistenz ein unkontrollierter Raum. Wie verhindern wir, dass kommerzielle Anbieter eigene Interessen über das Wohl des jeweiligen Menschen stellen? Wie stellen wir sicher, dass niemand sich durch gesellschaftlichen Druck zu einer Entscheidung genötigt fühlt?

Es braucht Regeln, die verhindern, dass assistierter Suizid als scheinbar unkomplizierte Lösung für soziale oder pflegerische Probleme betrachtet wird. Gleichzeitig müssen Menschen mit existenziellen Krisen verlässlich begleitet werden – mit Angeboten, die über bloße medizinische oder juristische Aspekte hinausgehen.

Politische Verantwortung: Ein Gesamtkonzept statt Flickwerk

Eine vorausschauende Sozialpolitik setzt nicht nur auf Regelungen zur Suizidassistenz, sondern stärkt vor allem die Rahmenbedingungen für ein würdevolles Leben bis zum Ende. Dazu gehören:

Eine Kultur der Fürsorge gestalten

Letztlich stellt sich die Frage: Welche Gesellschaft wollen wir sein? Eine, die Menschen in Krisen begleitet und Halt gibt – oder eine, in der der assistierte Suizid zur stillschweigenden Antwort auf ungelöste soziale Herausforderungen wird? Eine menschenwürdige Zukunft erfordert nicht nur Gesetze, sondern eine Kultur des Miteinanders, die niemanden zurücklässt.

 

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