© Diakonie/Francesco Ciccolella

Chance gehabt, Chance verpasst

Falko Behrens | 17.12.2024

Ein migrationspolitisches Ampel-Fazit

Nun ist es endgültig. Der Antrag des Kanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, fand erwartungsgemäß nicht die Mehrheit im Bundestag. Vorgezogene Neuwahlen finden voraussichtlich am 23. Februar 2025 statt. Es war ein Bundestag, der 2021 eine Koalition hervorbrachte, die vielversprechende Ansätze in der Migrationspolitik verfolgen wollte. Das versuchte die Ampel zunächst auch, doch sie gab bereits zur Halbzeit auf. Das migrationspolitische Ampel-Aus kam insoweit wesentlich früher und nicht erst am ereignisreichen 6. November 2024.

Die Ampel stand für einen “Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik”. Ihr Koalitionsvertrag grenzte sich von denjenigen vorheriger Koalitionen positiv ab. Das machte sich bei der Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts, verkürzten Einbürgerungsfristen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, der Ermöglichung des Elternnachzugs zu Fachkräften oder der bundesgeförderten Asylverfahrensberatung durch Wohlfahrtsverbände auch bemerkbar. Es zeigte sich allerdings früh, dass Errungenschaften einhergingen mit gegenläufigen Verschärfungen, etwa dem Ausschluss von nicht voll erwerbsfähigen Menschen vom Anspruch auf Einbürgerung oder dem Erfordernis einer einjährigen Vorduldungszeit beim Zugang von gut integrierten jungen Menschen mit einer Duldung in ein Bleiberecht.

Nicht vorhersehbar war Russlands völkerrechtswidriger Angriffskrieg gegen die Ukraine Anfang 2022. Die verfahrensarme Aufnahme einer hohen Zahl von Schutzsuchenden unter Anwendung der „Richtlinie zum vorübergehenden Schutz“ war ein Best-Practice-Example der europäischen und deutschen Flüchtlingspolitik. Im öffentlichen Diskurs wurde dies jedoch zu wenig gewürdigt, genauso wenig, wie die gelungene Integration vieler Menschen aus Afghanistan und Syrien, die vor Krieg, Verfolgung und Folter geflohen sind, obwohl sie viel längere Verfahren durchlaufen mussten als Schutzsuchende aus der Ukraine. Was stattdessen nach den gestiegenen Flüchtlingszahlen folgte, war ein völlig entgrenzter Diskurs und Attacken gegen das Asylrecht und den Flüchtlingsschutz insgesamt.

Die Ampel knickte ein gegenüber diesem Diskurs, indem sie populistische Maßnahmen ergriff, anstatt die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages weiter umzusetzen. Das war das migrationspolitische Ampel-Aus. Die kostspielige Einführung einer Bezahlkarte oder offensichtlich verfassungs- und europarechtswidrige Leistungskürzungen sollen Schutzsuchende jetzt angeblich davon abhalten, nach Deutschland zu kommen. Hinzu kam eine europarechtswidrige Verschärfung bei Heimatreisen, die es syrischen Flüchtlingen nun unmöglich macht, sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen.

Diese Maßnahmen wurden einer Reihe von integrationsfördernden Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag vorgezogen etwa beim Familiennachzug, bei der Abschaffung von Arbeitsverboten, bei der Identitätsklärung oder beim Schutz von Opfern von Gewalt. Was hat das genützt? Vom versprochenen „Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik“ blieb unterm Strich nicht viel übrig.

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