Was hat die Vergütung von Betreuungsvereinen mit den Rechten behinderter Menschen zu tun?
Die kurze Antwort ist: Sehr viel! Und leider sind die Aussichten nicht gut. Aus diesem Grund ist folgender Hashtag wichtig: #BetreuungFairgüten.
Ein Jahr, nachdem die Betreuungsrechtsreform von 2023 mit ihren wegweisenden Ansätzen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Kraft getreten ist, zeichnet sich ab, dass die Praxis den Anspruch dieser Reform nicht wird einlösen können.
Aber Eins nach dem anderen: Zu den Rechten von Menschen mit Behinderung, die die UN BRK verbrieft, gehört auch das Recht auf Unterstützung bei der Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit. Wenn eine psychische oder dementielle Erkrankung oder eine geistige Behinderung es Menschen schwer macht, ihre rechtlichen Angelegenheiten ohne Unterstützung wahrzunehmen, erhalten sie dabei Hilfe.
Oft steht dann ein:e Betreuer:in zur Seite. Soweit dies notwendig ist, übernimmt er oder sie die Unterstützung bei rechtlichen Angelegenheiten. Betreuer:innen sollen in erster Linie dabei unterstützen, selbständig Entscheidungen zu treffen und diese umzusetzen. Sie entscheiden nur dann anstelle der betreuten Menschen, wenn die Betreuten dazu außerstande sind. Ziel ist es, dass die betreuten Menschen ihr Leben soweit als möglich nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten können. Um diese Vorstellungen und Wünsche kennenzulernen, müssen sich Betreuer:innen intensiv mit den Betreuten unterhalten. Zum Beispiel:
- Frau D. (87 Jahre) leidet an Demenz und Krebs. Nachdem sie sich zum Umzug ins Pflegeheim entschlossen hat, verhandelt ihre Berufsbetreuerin mit der Pflegeversicherung, kündigt die Wohnung und schließt den Vertrag mit dem Pflegeheim. Zudem besprechen die beiden Frauen, was für D. im Zusammenhang mit ihrer Krebserkrankungen und für ihr Lebensende wichtig ist.
- Frau Z. (21 Jahre) leidet an Schizophrenie. Ihre Mutter unterstützt sie als ehrenamtliche Betreuerin bei Entscheidungen über ihre Behandlung, muss aber immer wieder für ihre Tochter entscheiden, wenn diese krankheitsbedingt dazu nicht in der Lage ist. Dabei unterstützt sie ein Betreuungsverein.
Bezahlt wird die Tätigkeit der Berufsbetreuer:innen grundsätzlich von den Betreuten. Der Staat springt nur ein, wenn diese mittellos sind. Die Höhe der Vergütung legt das Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) fest. Das Gesetz richtet sich zwar nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Aber es schreibt nur den Tariflohn fest, der während des Gesetzgebungsverfahrens maßgeblich ist. Steigt der Tariflohn später, kommt das den Betreuer*innen nicht zugute. Denn für Vergütungserhöhungen braucht es eine Gesetzesänderung, der nicht nur der Bundestag, sondern auch der Bundesrat zustimmen muss. Derzeit fängt ein Inflationsausgleich die gestiegenen Kosten auf und vollzieht die inflationsbedingten Tarifsteigerungen nach.
Lage für Betreuungsvereine ist gefährlich
Nun hat die gegenwärtige politische Lage die Situation verkompliziert: In der Erwartung, dass es 2025 zu einer Vergütungsanpassung kommen würde, läuft der Inflationsausgleich Ende des Jahres 2025 aus. Zwar hat das Bundesjustizministerium einen Vorschlag für eine Anpassung und Vereinfachung der Betreuer-Vergütung vorgelegt. Aber zum einen schreibt dieser das Grundproblem fort und übernimmt nur die Tarifhöhe Stand September 2024. Zum anderen steht angesichts der für den 23. Februar angesetzten Neuwahlen die gesamte Anpassung in Frage. Denn Gesetzesvorhaben scheitern, wenn sie bis zum Ende einer Legislaturperiode nicht verabschiedet sind.
Diese Lage ist für Betreuungsvereine gefährlich. Betreuungsvereine sind gemeinnützige Vereine, die Berufsbetreuer anstellen und ehrenamtliche Betreuer unterstützen. Die meisten von ihnen sind Mitglied eines Wohlfahrtsverbands. Als solche zahlen sie ihren Betreuer:innen den im Verband geltenden Tariflohn. Wenn es bei dem Gesetzentwurf bleibt, bleibt die VBVG-Vergütung, die die Betreuungsvereine erhalten, weit hinter den tatsächlichen Lohnkosten zurück.
Dass zu wenig Geld für die Gehälter der Betreuer.innen zur Verfügung steht, gefährdet auch die Qualität der Betreuung und damit die Rechte der Betroffenen aus der UN-BRK. Denn für ein kostendeckendes Einkommen müssten Betreuer:innen deutlich mehr Fälle übernehmen. Für die einzelne bleibt betreute Person also kaum noch Zeit. Wie man unter diesen Umständen Nachwuchs für die Betreuung findet, steht in den Sternen. Wenn die vom VBVG-Entwurf vorgesehene Vergütung kein auskömmliches Einkommen mehr ermöglicht, wird auch der Nachwuchs an wissenschaftlich ausgebildeten Betreuer:innen ausbleiben.
Gemeinsam einsetzen für eine faire Vergütung
Zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege hat die Diakonie Deutschland gefordert, den Entwurf zurückzunehmen. Wichtig ist jetzt insbesondere, dass auch 2026 Betreuungsvereine für ihre Arbeit eine kostendeckende Vergütung bekommen. Bei beidem kommt es auf die Länder und ihre Justizminister an. Sie können über den Bundesrat eine verlässliche und faire Vergütung initiieren, sicherstellen und unterstützen können.
Gemeinsam können wir uns aber für eine faire Vergütung dieser Arbeit einsetzen. Sie können in ihren Social Media-Profilen dieses Bild mit dem Hashtag #BetreuungFairgüten teilen. Und wir haben eine Postkartenaktion gestartet: Postkarten kommen einfach gut an – man kann sie nicht wegklicken. Sie können unser Postkartenmotiv herunterladen (Download hier), ausdrucken und es dem oder der Justizminister:in Ihres Bundeslandes oder die Abgeordneten Ihres Wahlkreises schicken.
Schicken Sie es gern so, dass die Karte vor dem 28. November ankommt. Da kommen die Justizminister der Bundesländer in Berlin zur sog, Justizministerkonferenz zusammen und diskutieren über dieses Gesetz.
Lassen Sie den oder die Minister:in wissen: Sie setzen sich ein für verlässliche und faire Vergütung guter Betreuung!