Wohnungslosigkeit beenden – So schaffen wir es nicht

Die Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland wächst. Daran ändert auch der neue Aktionsplan der Bundesregierung vorerst nichts. Ohne Gesetzesänderungen und mehr finanzielle Mittel werden viele Menschen auch nach 2030 wohnungslos sein. Von Lars Schäfer

23.05.2024

Wir alle kennen es: Das eigene Verhalten zu ändern, fällt schwer. Und das selbst dann, wenn die Vorteile der Verhaltensänderung eigentlich auf der Hand liegen. Oder anders ausgedrückt: Wenn die Probleme offensichtlich sind, die Folge des bisherigen Verhaltens sind. In der Politik ist das nicht anders. Da braucht es mitunter schon mal die viel beschworene Zeitenwende, um einen politischen Kurswechsel herbeizuführen. Und auch dann bleiben die Verharrungstendenzen an vielen Stellen stark.

Gut zeigen lässt sich das aktuell leider anhand des Problems der Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland. Die Entscheidung, den deutschen Wohnungsmarkt zu liberalisieren und dem internationalen Finanzmarkt zu öffnen, hat zu einer anwachsenden Wohnungskrise geführt. Immer mehr Menschen sind von Wohnungslosigkeit bis zur Obdachlosigkeit betroffen. Die Angst davor, das Dach über dem Kopf zu verlieren, hat Teile der deutschen Mittelschicht erreicht. Menschen, die sich das lange Zeit nicht hätten vorstellen können, fürchten den Verlust der Wohnung aufgrund von Mietsteigerungen oder Eigenbedarfskündigungen. Und auf den Straßen insbesondere der deutschen Großstädte ist die Zahl der obdachlosen Menschen rasant angewachsen, die dort – und anders kann man es nicht sagen – verelenden. Man möchte folglich meinen, die Zeit ist gekommen, entschieden politisch zu handeln.

Hoffnung auf den Nationalen Aktionsplan

Insofern hatte die Ankündigung der sogenannten Fortschrittskoalition, einen Nationalen Aktionsplan zur Überwindung der Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu erstellen, bei vielen, die sich beruflich oder aus eigener Betroffenheit mit dem Thema beschäftigen, große Hoffnungen geweckt. Denn gemeinsam mit Bund, Ländern, Kommunen und den Verbänden der Zivilgesellschaft müsste es doch möglich sein, das Problem der Wohnungs- und Obdachlosigkeit in den Griff zu bekommen. Konzepte und Ideen, wie das erfolgreich klappen könnte, liegen aus Praxis und Wissenschaft seit vielen Jahren vor. Auch andere Länder wie Finnland haben zudem vorgemacht, wie es gehen könnte: Indem man sich parteiübergreifend verbindlich dem Ziel der Überwindung der Wohnungslosigkeit verschreibt und entsprechend finanzielle Mittel für die Versorgung von wohnungslosen Menschen mit Wohnraum zur Verfügung stellt.

Fehlender Kurswechsel

Doch in Deutschland ist der erhoffte politische Kurswechsel bisher ausgeblieben. Der nun vorliegende Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit wird kaum dazu führen, dass die Zahl der wohnungs- und obdachlosen Menschen in den nächsten Jahren spürbar nach unten geht. Denn dazu müsste der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum für wohnungslose Menschen deutlich verbessert und die Prävention vor Wohnungsverlust merklich gestärkt werden. Mit den im Aktionsplan genannten, aktuell 31 Maßnahmen wird das nicht gelingen. Wenn sich die politischen Akteure in den kommenden Monaten nicht zu notwendigen gesetzlichen Änderungen für einen besseren Mieter*innenschutz und zur Bereitstellung finanzieller Mittel durchringen, wird es beim hehren Ziel bleiben. Wenn Wohnen weiterhin als Ware und nicht als Grundbedürfnis begriffen wird, wird sich an der Situation der Wohnungslosigkeit in Deutschland kaum etwas ändern – und wenn, dann eher zum Schlechteren für weite Teile der Gesellschaft. Denn der Markt wird die Wohnungsfrage nicht im Sinne der Allgemeinheit beantworten, sondern im Sinne der Rendite. Für wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen bedeutet das nichts Gutes.

Weitere Informationen

Pressemitteilung zur Veröffentlichung des Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW)

Stellungnahme Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit der Diakonie Deutschland

Stellungnahme zum Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit des Evangelischen Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. (EBET)

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