Lobbyarbeit ist ein Marathon, kein 100-Meter-Sprint
Rainer Hub | 06.02.2025
Kaum war das „Sommerloch“ vorüber, brach aus der Ampel der gelbe Knopf. Nach einigem Hin und Her, inklusive Misstrauensvotum des Parlaments und dem Vorschlag des Bundeskanzlers für Neuwahlen, legte der Bundespräsident zwischen Weihnachten und Silvester den 23. Februar als Wahltermin fest.
Wer nun meint: „Nach den Ferien mache ich Lobbyarbeit für meine Themen“, der kommt zu spät. Lobbyarbeit ist ein langwieriger, zäher Prozess, oft mit Umwegen. Er ist geprägt von Rückschritten und immer wieder neuem Kennenlernen von Personen in den Parteien, dem Parlament und der Bunderegierung.
Worauf es ankommt: Verbündete suchen und finden. Für mich kommen diese insbesondere aus der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) und den Kirchen. Denn eins ist klar: Einzelkämpfer:innen kommen nicht ans Ziel!
Kontaktdaten identifizieren, anrufen, sich vorzustellen, Gespräche führen
Wann fängt Lobbyarbeit an? Um es mal an einem Beispiel fest zu machen: Lobbyarbeit für die Legislatur seit September 2021 zu Engagement inklusive der Freiwilligendienste, Demokratie und Zivilgesellschaft begann einen Tag nach der Bundestagswahl 2021. Dabei stellte ich als erstes fest, dass so gut wie alle Vertreter:innen der im Bundestag vertretenen Parteien in der thematischen Zuständigkeit geplant oder ungeplant nicht mehr im Parlament waren.
Was muss man also zunächst tun? Kennenlerngespräche ausmachen. Ich musste allerdings abwarten, bis die Regierung ihren Koalitionsvertrag ausgehandelt hatte und Mitglieder des Deutschen Bundestages (MdBs) in Ausschüssen und als Berichterstatter:in feststanden. Sodann die Kontaktdaten identifizieren, MdB Büros anrufen (= das ist meiner Erfahrung nach deutlich effektiver als schreiben), mich zunächst einmal vorstellen, um einen Gesprächstermin im MdB-Büro anzuberaumen; zum Termin bringt man üblicherweise eine kurze fachliche Expertise und seine Visitenkarte mit.
Ohne aufgebaute Kontakte funktioniert Lobbyarbeit nicht
Wichtig ist es mit allen gewählten Volksvertreter:innen, außer der AfD, inkl. Büromitarbeiter:innen (ganz wichtig!) eine gute Arbeitsbeziehung aufzubauen. Ohne bereits existierende Kontakte funktioniert Lobbyarbeit nicht – insbesondere wenn es darauf ankommt und situativ oft ad hoc gehen muss; es muss immer ein Win - Win für beide Seiten dabei „rausspringen“.
Fachliche Themen präsentieren und Begegnungen ermöglichen
Günstig ist es, sich mit eigenen fachlichen Ideen wie das Themenfeld vorangebracht werden kann zu präsentieren und immer wieder Begegnungen zu ermöglichen; formell durch Mitwirkung an Veranstaltungen, informell durch Hintergrundgespräche. So wurde beispielsweise ermöglicht, dass im Koalitionsvertrag ein Satz zur Idee einer Engagementstrategie unter Beteiligung der Zivilgesellschaft stand.
Dieser Prozess dauert dann zwar sehr lange und ist auch „nur“ suboptimal zu seinem Ende gekommen, aber seit dem 04.12.2024 liegt eine solche Strategie vor. Hieran kann man auch in der nächsten Legislatur weiterarbeiten.
Leider ist ein Demokratiefördergesetz nicht realisiert orden. Das ist an dem „gelben Knopf“ gescheitert. Mit einer optimaleren Lobbybeziehung in die FDP wäre man ggf. weiter-gekommen; vielleicht aber auch nicht, denn das weiß man erst am Ende eines (Lobby-) Prozesses.
Besuch des Bundespräsidenten im EWDE
Erfolgreich für die Lobbyarbeit der Freiwilligendienste war hingegen die jahrelange Investition in die oben genannten Beziehungen für den 15. Mai 2024: Dass sowohl der Bundespräsident zu einem Festakt als auch MdBler:innen aus vier Fraktionen zu einem Parlamentarischen Abend ins Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) kamen, wäre sonst nicht möglich gewesen.
Klare Haltung des Verbandes
Hier ist die klare Haltung des Verbandes bzw. der gesamten betroffenen Zivilgesellschaft das Ziel eines „Rechtsanspruch auf einen finanzierten Freiwilligendienstplatz“ (statt einem von der Union favorisierten „verpflichtenden Gesellschaftsjahr“) erfolgreich vertreten worden – und zur Basis politischer Empfehlungen für den nächsten Koalitionsvertrag geworden.
Teil der Lobbyarbeit ist auch der Digital Lunch Talk des EDZ am 18.02.2025, 13 Uhr zu diesem Thema. Dass dafür schnell zwei Abgeordnete gewonnen werden konnten, ist auch der jahrelangen Lobby- und Beziehungsarbeit zu verdanken.