Aktion Sühnezeichen Friedensdienste: Frieden durch Versöhnung teilen

Einen Schritt zur Verständigung über Grenzen hinweg leistet die evangelische Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, die 1958 von Franz von Hammerstein mitgegründet wurde. 

"Da kam mir ein Landstreicher entgegen und mich befiel sofort die Angst, dass er versuchen würde mir mein Fahrrad, meinen letzten Besitz, zu stehlen." Die klaren, lebhaften Augen des alten Mannes starren ins Leere, während er weiter erzählt: "Doch als er näher kam, erkannte ich in dem Landstreicher meinen längst verloren geglaubten Bruder Kunrat.  Er begegnete mir hier, hunderte Kilometer von Berlin entfernt, zufällig auf der Straße wieder."

Diese Episode spiegelt nur einen Bruchteil des bewegten Lebens des 85jährigen Franz von Hammerstein wieder. Und doch steht sie am Ende einer Odyssee, die ausschlaggebend war für sein weiteres Engagement und seine Lebensaufgabe.

Franz von Hammersteins Jugend wird durch den aufkommenden Nationalsozialismus geprägt. Das liberale und antifaschistische Klima der Familie führt dazu, dass Hammersteins Geschwister Kontakte zum Widerstand bilden. Seine Brüder Kunrat und Ludwig sind am Anschlag auf Hitler vom 20. Juli 1944 beteiligt.

Hammerstein erzählt in kurzen, klaren Sätzen von dieser für ihn aufwühlenden Zeit: "Am 21. Juli erschien mein Bruder Ludwig in unserer Wohnung. Er war auf der Flucht. Sollte er sich stellen, was den sicheren Tod bedeutet, oder untertauchen? Natürlich gab es nur eine Entscheidung: Untertauchen!" Kunrat überlebt den Krieg versteckt bei Nazigegnern.

Im Herbst 1944 werden Franz von Hammerstein, seine Mutter und seine jüngste Schwester von der Geheimen Staatspolizei verhaftet. Sie befinden sich nun in „Sippenhaft“. Die Nazis bringen sie zusammen mit Familienangehörigen der Verschwörer vom 20. Juli in ein abgeschirmtes Sonderlager des Konzentrationslagers Buchenwald.

Bewegt, beinahe atemlos berichtet Hammerstein: "Wir hatten keine Ahnung von der Größe des Lagers nebenan, sahen die bejammernswerten Gestalten der Häftlinge in der gestreiften Kleidung. Über die Mauern hörten wir die Hunde bellen und die Musik spielen zu den stundenlangen Appellen morgens und abends."

Über die Verlegung in ein Regensburger Gefängnis berichtet Hammstein: "Dort genossen wir das erste Mal wieder ein paar Freiheiten und konnten essen und trinken." Von dort geht es für die Häftlinge unter der Bewachung von zwei SS-Schergen auf einen Marsch in die Alpen. Am 30. April 1945 befreien amerikanische Soldaten die Häftlinge. Auf dem Weg nach Berlin findet Hammerstein seinen Bruder - den Landstreicher - wieder.

Nach dem Krieg beginnt Hammerstein ein Theologiestudium. Es ist ein Neuanfang:"Die Hoffnung war, nach dem Zusammenbruch des tausendjährigen Reiches, über ideologische, konfessionelle und nationale Grenzen, über Klassengrenzen hinweg zusammenzuarbeiten, eine friedliche Welt zu gestalten."

Durch ein Stipendium in den USA lernt er die jüdische Religion und Kultur kennen und setzt sich intensiv mit der Rassenproblematik auseinander. Zurück in Deutschland kommt es 1958 am Rande der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands zum Gründungsaufruf der Aktion Sühnezeichen. Franz von Hammerstein ist daran maßgeblich beteiligt.

Dieser Aufruf stellt nicht nur ein Schuldbekenntnis dar, sondern fordert auch konkrete Konsequenzen: "Des zum Zeichen bitten wir die Völker, die Gewalt von uns erlitten haben, dass sie uns erlauben, mit unseren Händen und mit unseren Mitteln in ihrem Land etwas Gutes zu tun; ein Dorf, eine Siedlung, eine Kirche, ein Krankenhaus oder was sie sonst Gemeinnütziges wollen, als Versöhnungszeichen zu errichten." Vergebung zu erbitten und Versöhnung zu praktizieren ist die Grundlage für die Arbeit von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und des Engagements von Franz von Hammerstein.

Mehr Informationen über die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, einem Fachverband der Diakonie, finden Sie im Internet unter www.asf-ev.de

Autorin: Theresa Eisermann

Diese Seite empfehlen