Diakonie in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR
Die Anfänge nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Notsituation nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und die zunächst liberale Kirchenpolitik der sowjetischen Besatzungsmacht gaben dem im August 1945 gegründeten Hilfswerk der EKD die Möglichkeit, seine Arbeit über die Zonengrenzen hinweg zu entfalten. Von den evangelischen Kirchen, die in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) lagen, wurden Bevollmächtigte für das landeskirchlich gegliederte Hilfswerk eingesetzt. Zunächst standen die Abwicklung und Verteilung von Hilfssendungen für die allgemeine Nothilfe und den kirchlichen Wiederaufbau im Vordergrund. Ab 1947 verstärkten sich Behinderungen im Warentransfer. Ein Monopolanspruch auch für die Verteilung kirchlicher Hilfsgüter wurde von der durch die SED gegründeten Volkssolidarität erhoben. Der immer stärker hervortretende Ost-West-Konflikt engte die Möglichkeiten der diakonischen Arbeit ein.
Das zunächst als Abteilung des Stuttgarter Zentralbüros des Hilfswerks konzipierte Zentralbüro Ost entwickelte als Berliner Stelle eine überregionale Bedeutung. Nach der Währungsreform in der SBZ wurde eine Ostberliner Filiale eingerichtet. Das Hilfswerk war als gesamtdeutsche Organisation, ähnlich wie die EKD, in der Zeit der wachsenden politischen Spannungen eine wichtige Verbindung und vermittelte zusammen mit den Hilfen das Gefühl, in den drängendsten Fragen nicht allein zu stehen. Als 1950, nach der Gründung der DDR und als Betonung der eigenen Souveränität, ein Einfuhrverbot für ausländische Spenden verfügt wurde, ging das Hilfswerk verstärkt dazu über, Patenschaften zu vermitteln und Unterstützungen über den Postweg zu organisieren.
Bei vielen Einrichtungen und Heimen im Bereich der Inneren Mission ging es nach dem Ende des Krieges um Aufgaben des Wiederaufbaus. Auf Beschluss des Alliierten Kontrollrates war von der sowjetischen Militärverwaltung die Rückgabe von diakonischen Einrichtungen und Gebäuden verfügt worden, die in der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmt worden waren. Allerdings erfolgte die Freigabe einzelner Einrichtungen nur schleppend. Darüber hinaus waren die rechtlich selbstständigen Vereine der Inneren Mission durch die in der SBZ eingeleiteten Eingriffe in die Rechts- und Eigentumsverhältnisse gefährdet. Die Betonung, dass die Innere Mission „Lebens- und Wesensäußerung“ der Kirche ist, wurde auf landeskirchlicher Ebene durch eigentumsrechtliche Absicherungen des Vermögens der Inneren Mission als „Sondervermögen der Evangelischen Kirche“ ergänzt.
Die einzige große Neugründung einer diakonischen Einrichtung in der DDR erfolgte Anfang der 50er Jahre in Züssow. Die ersten mit Unterstützung des Evangelischen Hilfswerks der Schweiz gebauten Häuser konnten 1952 bezogen werden.
Konflikte um die diakonische Arbeit in der DDR der 50er Jahre
In der Zeit von 1945 bis 1949 war die diakonische Arbeit trotz aller Einschränkungen durch Kooperationsversuche im Zeichen des Wiederaufbaus gekennzeichnet. Mit der Gründung der DDR veränderte sich diese Situation. Immer deutlicher wurde das Ziel der SED, alle Bereiche der Gesellschaft entsprechend ihres Totalitätsanspruches zu kontrollieren. Mit den Übergriffen auf die Junge Gemeinde und Studentengemeinden wurde im Frühjahr 1953 aus latenten und sporadischen Konflikten eine prinzipielle Konfrontation. Es stellte sich die Frage, ob die Verhaftungen diakonischer Mitarbeiter und Beschlagnahmungen diakonischer Einrichtungen auf ein Ausschalten dieses Bereiches des kirchlichen Lebens in der DDR zielten.
Am 10. Juni 1953 kam es für die Kirchen überraschend zu einem Gespräch mit der DDR-Regierung, bei dem die Zurücknahme der repressiven Maßnahmen zugesichert wurde. In den folgenden Monaten war jedoch wenig Bereitschaft bei staatlichen Stellen zu erkennen, für die Arbeitsmöglichkeiten diakonischer Einrichtungen dauerhafte rechtliche Bedingungen zu schaffen. Zwar wurden die diakonische Arbeit und die Einrichtungen nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt, aber es blieben Befürchtungen, ob und wann bestehende Behinderungen der Arbeit wieder in massive Eingriffe umschlagen würden.
Im Frühjahr 1954 wurde im Zusammenhang mit einer erneuten Verschärfung der SED-Kirchenpolitik wieder dazu übergegangen, die kirchlich-diakonische Arbeit in einem breiten Spektrum, von der Christenlehre, dem Konfirmandenunterricht und den konfessionellen Kindertagesstätten bis zur Arbeit in Krankenhäusern, Altersheimen und der häuslichen Krankenpflege, schärfer zu reglementieren.
Noch eindeutiger zeigten sich die kirchen- und diakoniefeindlichen Intentionen in der SED in der Unterdrückung der Arbeit der Bahnhofsmission. Nach früheren Verdrängungsversuchen durch die Volkssolidarität wurde ab Januar 1956 dieser diakonische Arbeitsbereich systematisch unterbunden. Zwar kam es gegen die verhafteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahnhofsmission zu keinen Prozessen, aber die Vorgänge von 1956 bedeuteten faktisch das Ende der Bahnhofsmission in der DDR.
Eine öffentlich wirksame und wahrnehmbare diakonische Arbeit, die besonders in den 50er Jahren von der SED als politische und propagandistische Äußerung der Kirche angesehen wurde, widersprach einer in der SED herrschenden Vorstellung der Religion als Kult.
Abbau der Konfrontation – Schwerpunkte diakonischer Arbeit als Entlastung des Gesundheits- und Sozialwesens der DDR
Obwohl es noch im Sommer 1958 zu ideologisch motivierten, öffentlichen Angriffen gegen die Innere Mission kam, machten sich nach den Gesprächen zwischen Staat und Kirche von 1958 Veränderungen bemerkbar. In Teilbereichen der kirchlich-diakonischen Arbeit wurde es leichter, dringende Fragen zu lösen. So führte das 1961 abgeschlossene Vergütungsabkommen für Angehörige der Heil- und Heilhilfsberufe in den evangelischen Krankenhäusern, Kliniken und Heilstätten zu einer Erhöhung der durch die Sozialversicherung erstatteten Pflegekostensätze.
Nach dem Bau der Mauer 1961 musste der diakonische Nachwuchs ohne die Möglichkeit, westliche Ausbildungsmöglichkeiten zu nutzen, ausgebildet werden. 1964 wurde eine Rahmenvereinbarung geschlossen, die den Bestand der evangelischen Krankenpflegeschulen und die Ausbildung des Nachwuchses der evangelischen Schwesternschaften und Krankenhäuser sicherte. Als nach der Einführung medizinischer Fachschulen ab 1973 erneut über eine Ausbildungsvereinbarung verhandelt wurde, geschah dies vor dem Hintergrund der von der SED verkündeten „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Mit 8 bis 10 % der Gesamtkapazität an Betten und Behandlungen des Sozial- und Gesundheitswesens der DDR war der Bereich der Diakonie bei einer Umsetzung dieser Ziele nicht zu vernachlässigen. Obwohl es das Ziel der staatlichen Kirchenpolitik war, konfessionelle Fachschulen nicht zuzulassen, wurde mit der 1975 ausgehandelten Vereinbarung von Seiten der Diakonie erreicht, dass diese Ausbildung mit einem staatlich anerkannten Fachschulabschluss endete.
Neben dem Bereich der konfessionellen Krankenpflegeausbildung gab es in der Diakonie weitere Ausbildungszweige. Einerseits wuchs der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern besonders in den 60er und 70er Jahren, andererseits mussten angesichts des allgemeinen Mangels an Arbeitskräften im Bereich der Diakonie zunehmend eigene Ausbildungen geschaffen werden. Um die sich verändernden Ausbildungen diakonischer Mitarbeiter zu unterstützen und zu koordinieren, wurde Anfang der 70er Jahre ein Diakonisches Qualifizierungszentrum geschaffen. Dort entstand ein differenziertes Angebot diakonischer Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Aufgrund der ideologischen und bildungspolitischen Einschränkungen konnten diese Qualifizierungen allerdings nicht mit staatlich anerkannten Abschlüssen beendet werden. Das bedeutete, dass nach einer entsprechenden Ausbildung nur im kirchlich-diakonischen Gebiet eine Arbeit mit einer der Qualifikation entsprechenden Anerkennung möglich war. Dennoch war es für die Diakonie in der DDR ein beachtlicher Erfolg, dass es trotz des Monopolanspruchs der SED im Bildungsbereich und des staatlichen Zieles, keine konfessionellen Fachschulen zuzulassen, gelungen war, ein Diakonisches Qualifizierungszentrum mit großer inhaltlicher Breite einzurichten.
Von besonderer Bedeutung waren in diesem Zusammenhang die Ausbildungen in Heilerziehungspflege. Sie spiegelte sich in der Herausbildung eines der Schwerpunkte diakonischer Arbeit in der DDR wider. Von staatlicher Seite war in den 50er Jahren versucht worden, Kirche und Diakonie aus bildungsrelevanten Bereichen auszugrenzen. Aufgrund politischer Vorgaben war die Zahl der Einweisungen in konfessionelle Heime der Kinder- und Jugendhilfe drastisch zurückgegangen. Parallel dazu wurden verstärkt behinderte Kinder und Jugendliche in diakonische Einrichtungen aufgenommen. Diese Umstellung machte erhebliche Anpassungen in der Arbeit nötig. Schon bald wurde deutlich, dass dies bauliche Veränderungen, spezielle Ausbildungen und Profilierungen der Einrichtungen erforderte. Als Ende der 60er Jahre in einigen großen Behinderteneinrichtungen angesichts angespannter Personalsituationen und inhaltlich deutlicher werdender Anforderungen begonnen wurde, ergänzende Ausbildungsteile für die Arbeit mit geistig behinderten Kindern und Jugendlichen einzuführen, bedeutete das den Einstieg in einen eigenständigen Ausbildungsbereich der Diakonie.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Umsetzung der neuen Orientierungen in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung waren Verbesserungen der baulichen Gegebenheiten. Aufgrund der Devisenknappheit und der schlechten Wirtschaftslage war die DDR – zunächst in kleinerem Umfang – bereit, für gezahlte Devisen, die als Valutamark gutgeschrieben wurden, knappe Waren und Dienstleistungen den Kirchen und der Diakonie zur Verfügung zu stellen. Mit Hilfe der Gelder, die durch die bundesdeutsche Diakonie zur Verfügung gestellt wurden, konnten in den 70er und 80er Jahren drei größere Sonderbauprogramme im Bereich der Diakonie realisiert werden. Neben Bettenhäusern, Krankenhauserweiterungen und Wohnungen für Mitarbeiter wurden Zweckbauten in diakonischen Einrichtungen gebaut. Insgesamt hatte die Diakonie in der DDR mit der von ihr wahrgenommenen Betreuung und Förderung geistig behinderter Menschen eines ihrer größten Arbeitsgebiete in der DDR aufgebaut. In den 80er Jahren stellten diakonische Einrichtungen fast 50% der in der DDR vorhandenen Plätze für Schwer- und Schwerstbehinderte. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf das hinter der Gesundheitspolitik der DDR stehende Menschenbild, wenn sie der Diakonie zwar dieses Arbeitsgebiet überließ, selbst jedoch die Schulbildungspflicht für geistig behinderte Menschen stark einschränkte und sogar eine Förderpflicht für alle Behinderten nicht anerkannte.
Funktionalisierung und Eigenständigkeit - organisatorische Selbstbehauptung und Profilierung der Diakonie in der DDR
Die diakonische Arbeit in der DDR war eng mit der Kirche verbunden. Durch die Veränderungen im Vereins- und Stiftungsrecht, die in der DDR darauf abzielten, den gesellschaftlichen Bereich zu kontrollieren, war die traditionelle Vereinsstruktur der Inneren Mission unter Druck geraten. Auch wenn formal die rechtliche Selbstständigkeit von Einrichtungen der Inneren Mission erhalten blieb, wurden oft kirchliche Stellen bei Auseinandersetzungen mit staatlichen Behörden in Anspruch genommen. Aus Sicht der SED-Kirchenpolitik wurde zwischen Innerer Mission und Kirche wenig differenziert.
Schon bevor das Kirchengesetz über den Zusammenschluss von Innerer Mission und Hilfswerk von 1957 organisatorische Auswirkungen hatte, waren oft Leitungsfunktionen im Hilfswerk und in der Inneren Mission in Personalunion ausgeübt worden, oder ein landeskirchliches Amt leitete, wie in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, die diakonische Arbeit von Innerer Mission und Hilfswerk.
Auf zentraler Ebene wurde 1957 die Abteilung Ost der Berliner Stelle von Innerer Mission und Hilfswerk in Berlin-Prenzlauer Berg eingerichtet. Angesichts der sich herausbildenden zentralistischen politischen Strukturen der DDR war eine koordinierende Stelle der diakonischen Arbeit notwendig geworden. Das Ostberliner Büro der Berliner Stelle des Diakonischen Werkes entwickelte sich vor dem Hintergrund der Behinderungen in der Zusammenarbeit östlicher und westlicher Abteilungen. Die Abstimmung der Hilfswerksspenden, die Verhandlungen um Einfuhrgenehmigungen oder die Beschaffung von Baumaterialien und anderen Bedarfsgütern diakonischer Einrichtungen gehörte zu den Aufgaben. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 war eine eigenständig arbeitende Dienststelle gebildet worden.
Zu den Aufgabenbereichen, die nur in Auseinandersetzung mit zentralen Stellen der DDR zu entwickeln waren, gehörten vor allem die Verhandlungen und die Koordination der 1966 begonnenen valutafinanzierten Bauprogramme der Kirchen und der Diakonie in der DDR.
Die endgültige Zusammenführung von Innerer Mission und Hilfswerk wurde 1969 vorgenommen. Parallel zur Vorbereitung der Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR wurde eine Ordnung erarbeitet und verabschiedet. Mit dieser Ordnung wurden diakonische Leitungsgremien für den Bereich der DDR geschaffen. Dabei wurde zugleich die Eigenständigkeit gegenüber dem Kirchenbund behauptet, dessen Gremien 1970 das Werk „Innere Mission und Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in der DDR“ anerkannten.
Weitere vertragliche Absprachen, wie die 1975 abgeschlossene Ausbildungsvereinbarung für mittleres medizinisches Personal oder die 1977 erzielte Regelung kostendeckender Pflegekostensätze für evangelische Krankenhäuser, stabilisierten in den 70er Jahren die diakonische Arbeit im Rahmen der Bedingungen, wie sie durch die Kirchenpolitik und das Gesundheits- und Sozialwesen der DDR vorgegeben waren.
Dabei gab es allerdings zwischen den diakonischen Arbeitsbereichen erhebliche Unterschiede. Insbesondere offene diakonische Angebote, wie der bereits 1967 begonnene Aufbau von Sondertagesstätten für geistig behinderte Kinder und Jugendliche oder Beratungsdienste, waren von staatlichem Misstrauen begleitet oder wurden in ihrer Arbeit behindert.
Weitere Erleichterungen bei den Randbedingungen diakonischer Arbeit ergaben sich im Nachgang zum Gespräch vom 6. März 1978 zwischen der Regierungsspitze und dem Vorstand der Konferenz der Kirchenleitungen. Trotzdem bestand gegenüber diakonischen Handlungsfeldern teilweise erhebliches Mißtrauen. Das erfuhren verantwortliche diakonische Mitarbeiter, wenn sie in Gesprächen mit Vertretern des Staates beziehungsweise der SED zusammentrafen. Obwohl einige Fragen der diakonischen Arbeit durch vertragliche Vereinbarungen geregelt waren, blieben viele Bereiche ohne rechtliche Klärung.
Trotz des gesellschaftlichen Monopolanspruchs der SED war es der Diakonie durch ihr Bestreben, sich als verlässliches Gegenüber darzustellen, und durch Ausnutzung ihrer Freiräume gelungen, einer weiteren Einengung der kirchlich-diakonischen Arbeit Grenzen zu setzen. Mit Arbeitsfeldern wie „Brot für die Welt“, offener Behindertenarbeit, Ehe- und Familienberatung oder Telefonseelsorge wurde versucht, auf konkrete Problemsituationen zu reagieren. Daneben gab es den Bereich der gemeindenahen Diakonie, zu dem die abnehmende Zahl der Gemeindepflegestationen und die Kindertagesstätten ebenso gehörten wie Besuchsdienste und Diakoniekreise. Für viele Gemeinden in der DDR war das Selbstverständnis, „Kirche für andere“ zu sein, Ausdruck ihres diakonischen Anspruchs.
Insgesamt hatte die SED mit ihrer Verhältnisbestimmung gegenüber der Diakonie widersprüchliche Ziele verfolgt. Einerseits wurde die Diakonie mit der Kirche identifiziert und galt wie diese als überkommene und überholte gesellschaftliche Strukturform. Andererseits, und diese Sicht überwog in den 80er Jahren, wurde die soziale Arbeit der Diakonie benötigt. Dieser Zielkonflikt sollte durch eine Instrumentalisierung der Diakonie gelöst werden. Indem der Diakonie verstärkt die Förderung und Betreuung behinderter Menschen überlassen wurde, sollten kirchliche und diakonische Kräfte gebunden und zugleich staatliche Aufwendungen vermindert werden.
Dass die Diakonie in der DDR sich trotzdem zu einem beachtlichen kirchlichen Arbeitsfeld mit 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt hatte, hat mehrere Ursachen. Zum einen traf in der DDR die atheistische Gesellschaftskonzeption der SED auf eine lange Tradition diakonischen Engagements, der gegenüber einfache religionsfeindliche Positionen nicht zutrafen. Zum anderen wurde die Diakonie in der DDR durch die bundesdeutsche Diakonie und Kirche finanziell und institutionell unterstützt. Nicht zuletzt sahen viele ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter in ihrem Engagement in den verschiedenen diakonischen Bereichen eine Bewährung ihres Glaubens angesichts des ideologischen Druckes in der DDR.
Mit ihren vielfältigen Diensten als praktischer Ausdruck christlichen Glaubens wehrte sich die Diakonie in der DDR gegen Engführungen im Menschenbild und die Ausgrenzung von Menschen. Trotz zeitweilig massiver Repressionen in einigen Bereichen wurde sie dabei in das Gesundheits- und Sozialwesen zunehmend eingebunden – mit nicht unbedeutenden Rückwirkungen auf die Gesellschaft der DDR.
Autor: Ingolf Hübner
Literatur:
Gerhard Bosinski (Hg.), gemeinsam mit Herbert Berger, Hans-Dietrich Schneider, Paul Toaspern, Reinhard Winkelmann: „... und tue desgleichen“: Informationen, Berichte und Bilder aus der Arbeit der Diakonie in den evangelischen Landes- und Freikirchen in der DDR, Berlin 1975.
Zur Antwort bereit. Missionarisch-diakonische Arbeit der Evangelischen Landes- und Freikirchen in der DDR. Zusammengestellt und herausgegeben von Gerhard Bosinski, Berlin 1978.
Martin Reuer: Diakonie als Faktor in Kirche und Gesellschaft, in: R. Henkys (Hg.): Die Evangelische Kirche in der DDR: Beiträge zu einer Bestandsaufnahme, München 1982, 213-242.
Heinz-Georg Binder: Die Bedeutung des finanziellen Transfers und der humanitären Hilfe zwischen den Kirchen im geteilten Deutschland, in: Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages), Deutscher Bundestag (Hg.), Bd. VI, Kirchen in der SED-Diktatur, Frankfurt am Main 1995, 559-582.
Ingolf Hübner/Jochen-Christoph Kaiser (Hg.): Diakonie im geteilten Deutschland. Zur diakonischen Arbeit unter den Bedingungen der DDR und der Teilung Deutschlands, Stuttgart/Berlin/Köln 1999.