Aufenthaltsrechts (Chancen-Aufenthaltsrechtsgesetz)
Die Diakonie Deutschland bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen der Verbändebeteiligung. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e.V. (BAG EJSA) hat ebenfalls mitgewirkt. Wir begrüßen, dass dafür eine angemessene Frist eingeräumt wurde. Wir bitten, folgende Erwägungen noch vor der Kabinettsbefassung zu berücksichtigen:
Der vorliegende Gesetzentwurf stellt ein „Vorpaket“ zu dem geplanten umfangreicheren Gesetzentwurf zu den migrationspolitischen Zielen des Koalitionsvertrages dar.
Hauptgegenstand und in der Praxis dringend erwartet ist die Gewährung eines einjährigen Aufenthaltstitels "Chancen-Aufenthaltsrecht" zur Erfüllung weiterer Voraussetzungen für andere Aufenthaltstitel. Insbesondere soll der neue § 104c AufenthG eine Brücke in den § 25 b AufenthG bilden (Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration). Er soll die Möglichkeit eröffnen, ohne Furcht vor einer drohenden Abschiebung und auf neuer Vertrauensbasis die Identität zu klären, den Lebensunterhalt zu sichern oder Sprachkenntnisse zu erwerben. Einige Bundesländer haben dazu bereits Vorgriffsregelungen erlassen.
Die Diakonie begrüßt in hohem Maß, dass mit der Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts eine wichtige Regelungslücke geschlossen wird. Das ist sinnvoll, da die Angst des Betroffenen vor einer Abschiebung nach Identitätsklärung - auch in Fällen, in denen Bleiberechte erlangt werden könnten - häufig verhindert, dass die diesbezügliche Mitwirkungspflicht erfüllt wird.
Weitere sehr positive Änderungen werden vorgenommen, etwa die Reduzierung der Voraufenthaltsdauer in § 25a und b AufenthG. Ebenso sieht der Gesetzentwurf Erleichterungen beim Ehegatten- und Kindernachzug für Fachkräfte vor und beim Zugang zu Sprach- und Integrationskursen.
Der Gesetzentwurf bleibt insgesamt leider hinter den Erwartungen an eine neue, progressive Migrationspolitik zurück. Die erfreulichen und klar formulierten Signale des Koalitionsvertrages für einen Aufbruch in einen migrationspolitischen Paradigmenwechsel spiegeln sich im vorliegenden Gesetzentwurf zum großen Teil nicht wider. Die Richtung stimmt, aber es wird nicht beherzt genug vorangeschritten, um wirklich große Resultate zu erzeugen.
Die Logik, dass positive Regelungen für hier lebende Ausländer mit ordnungspolitisch begründeten Verschärfungen innerhalb einer Koalition neutralisiert/“erkauft” werden müssen, sollte der Vergangenheit angehören. In Zeiten des gewaltigen demographischen Wandels und bereits bestehenden Fachkräfte-Engpässen in vielen Branchen müssen viel deutlichere Anreize für eine sichere und legale Einwanderung und eine Aufenthaltsverfestigung gegeben werden. Die Steuerungswirkung ist umso größer, je mehr Aufenthaltschancen gesetzgeberisch eröffnet werden.
Ebenso wurden einige Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag noch nicht umgesetzt, die eng mit dem Chancen-Aufenthalt verzahnt sind, wie etwa die Abschaffung der Duldung bei ungeklärter Identität gem. § 60b AufenthG, die Möglichkeit der Identitätsklärung durch Versicherung an Eides statt oder generell die Abschaffung von Arbeitsverboten für Geduldete und Asylsuchende. Solche Regelungen sind erforderlich, weil die Erfahrung aus unseren Migrationsfachdiensten zeigt, dass es Betroffene vor enorme Herausforderungen stellt, aus dem Duldungsstatus heraus Integrationsleistungen zu erbringen und es in vielen Fällen schwierig oder unmöglich ist, einen Pass oder Identitätsnachweise in zumutbarer Weise zu beschaffen. Daher regt die Diakonie Deutschland an, diese wichtigen Änderungen in diesen Gesetzentwurf jetzt schon mit aufzunehmen.
Abzulehnen sind die Verschärfungen im Ausweisungs- und Abschiebungshaftrecht. Die Gesetzesbegründung belegt aus Sicht der Diakonie nicht ausreichend, dass derzeit die Länge der Abschiebungshaft nicht ausreicht, um Personen abzuschieben und warum es erforderlich ist, den Maßstab für eine Ausweisung von anerkannten Geflüchteten und subsidiär Geschützten massiv abzusenken. Derartige gesetzgeberische Notwendigkeiten im Rahmen der angekündigten “Rückkehroffensive” sind nicht ersichtlich.