Diakonie/Thomas Meyer

Diakonie-Zitat: Kampf gegen Wohnungslosigkeit braucht umfangreichen Maßnahmenmix

Der Deutsche Bundestag debattiert heute anlässlich eines Antrags der Fraktion DIE LINKE über die zukünftige Ausrichtung der Wohnungslosenpolitik.

10.02.2023

In dem Antrag spricht sich DIE LINKE dafür aus, den erfolgreich erprobten „Housing-First“-Ansatz zu etablieren, bei dem wohnungslose Menschen als Grundlage für weitere Hilfen zuerst in eine eigene Wohnung vermittelt werden.

Die Diakonie begrüßt diesen Ansatz, fordert aber weitere Maßnahmen, um das von der Bundesregierung selbst gesteckte Ziel zu erreichen, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden.

Dazu erklärt Maria Loheide, Sozialvorständin der Diakonie Deutschland:

„Wohnungslosigkeit ist ein vielschichtiges soziales Problem. Housing First ist deshalb kein Allheilmittel für alle wohnungslosen Menschen, aber ein sinnvoller und in vielen Bundesländern erfolgreich erprobter Ansatz innerhalb des Hilfesystems. Denn er ermöglicht eine schnelle Unterbringung in eigenem Wohnraum auch für Menschen, die schon sehr lange ohne eigene Wohnung leben und einen besonders hohen Hilfebedarf haben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass dieser Wohnraum auch zur Verfügung steht. Als Diakonie beobachten wir mit großer Sorge, dass immer mehr Menschen um zu wenige bezahlbare Wohnungen konkurrieren. Wohnungslose Menschen haben auf diesem hart umkämpften Markt praktisch keine Chance. Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir neue Wege zur Unterstützung ausprobieren und auch finanzieren. Wenn die Ampelkoalition wie angekündigt Wohnungslosigkeit bis 2030 überwinden will, muss sie noch deutlich nachlegen und weitere Maßnahmen auf den Weg bringen.“

Laut dem aktuellen Wohnungslosenbericht der Bundesregierung gibt es in Deutschland mehr als eine Viertelmillion Menschen, die ohne eigenen Mietvertrag sind und folglich als wohnungslos gelten. Gleichzeitig finden auf dem freien Wohnungsmarkt, vor allem in den Metropolregionen, auch Menschen mit mittleren Einkommen kaum noch eine bezahlbare Wohnung.

„Wenn wir eine flächendeckende Versorgung mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum erreichen möchten, brauchen wir eine neue, an sozialen und ökologischen Kriterien ausgerichtete Wohnungspolitik“, sagt Loheide. „Es gilt, den sozialen Wohnungsbau zu stärken, das Mietrecht zu reformieren und gute Rahmenbedingungen für eine gemeinwohlorientierte und gemeinnützige Wohnungswirtschaft zu schaffen. In einem solchen Mix kann auch Housing First ein wichtiger Baustein zur Überwindung der Wohnungslosigkeit sein.“

Hintergrund

Housing First ist ein sozialpolitisches Konzept zur Überwindung von Wohnungslosigkeit. Es wurde in den USA entwickelt und mittlerweile auch in mehreren europäischen Ländern erprobt. Auch in Deutschland spielt dieser Hilfeansatz eine immer größere Rolle in Wohnungsnotfällen. Housing First ist vor allem für Menschen konzipiert, die multiple Problemlagen aufweisen und besonders stark vom freien Wohnungsmarkt ausgegrenzt sind. Ihnen wird ein eigener, mietvertraglich abgesicherter Wohnraum zur Verfügung gestellt, der zu einer Stabilisierung ihrer Lebenssituation beitragen und so die Grundlage für die freiwillige Annahme weiterer Hilfen darstellen soll. Housing First zielt somit auf eine unmittelbare und nicht auf eine schrittweise Integration in Wohnraum ab.

In Deutschland wird Housing First vor allem in Form von Projekten angeboten. Solche Housing-First-Projekte gab bzw. gibt es in Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, Gießen, Hamburg, Hannover, Leipzig, Stuttgart sowie vielen weiteren Städten. In Berlin konnten im Rahmen einer Modellphase 40 Personen mit eigenem Wohnraum versorgt werden. In der Folge wurden die Housing-First-Projekte dort mittlerweile verstetigt und Housing First dient als Leitmotiv in Wohnungsnotfällen. Aufgrund der bisher insgesamt sehr positiven Ergebnisse der umgesetzten Housing-First-Angebote wird von fachlicher Seite empfohlen, sie nicht mehr nur als zeitliche befristete Projekte durchzuführen, sondern sie in die lokalen Hilfestrukturen einzubetten und in eine sozialrechtlich abgesicherte Regelfinanzierung zu überführen. Andere Formen der Versorgung und Unterstützung im Gesamtsystem der Wohnungsnotfallhilfe bleiben gleichwohl weiterhin unbedingt notwendig.

Weitere Informationen

©Hermann Bredehorst

Verena Götze

stellvertretende Pressesprecherin

verena.goetze@diakonie.de 030 652111780

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