Wichernempfang der Diakonie Deutschland
Präsident Rüdiger Schuch fordert klare Kante gegen Rechtsextremismus
Unter dem Thema "In guter Verfassung – Die Bedeutung der Demokratie für den Sozialstaat" diskutierten rund 150 Gäste aus Kirche, Gesellschaft und Politik beim diesjährigen Wichernempfang in der Genezarethkirche in Berlin-Neukölln über die wesentliche Funktion des Sozialstaats für die Demokratie. Gastredner war Stephan J. Kramer, Präsident des Amtes für Verfassungsschutz Thüringen.
Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch betonte in seiner Rede die wichtige Rolle der Diakonie und der Freien Wohlfahrtspflege als Mitgestalterin des Sozialstaates und damit als Stütze der Demokratie. Mit ihren bewährten Strukturen wie Nachbarschaftstreffs, Tafeln, Kitas und Tagespflegeeinrichtungen setzt sie sich täglich für den Schutz der Menschenwürde, die Verwirklichung der Menschenrechte und die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen ein und entwickelt Lösungen für das Zusammenleben vor Ort. Doch diese Arbeit wird angegriffen, vor allem von Rechtspopulisten. Diffamierungen und offene Anfeindungen von rechts außen erlebe die Diakonie bei ihrer Arbeit mit Menschen mit Behinderung, mit von Armut Betroffenen, in der Arbeit mit langzeitarbeitslosen Menschen oder mit Wohnungslosen.
"Rechtsextreme behaupten, soziale Organisationen müssten sich politisch neutral verhalten, wenn sie öffentliche Fördergelder erhalten. Auf diese Weise soll Kritik an rassistischen, antisemitischen und antimuslimischen, an minderheiten-feindlichen und antidemokratischen Positionen und Äußerungen delegitimiert werden. Richtig ist, dass deutliche Kritik an solchen menschenverachtenden Positionen geradezu geboten ist. Wir verhalten uns gegenüber diesen Parolen nicht neutral. Im Gegenteil: ich meine, wir müssen sehr deutlich machen, welche verheerenden Folgen ein weiterer Zugewinn an Einfluss und an politischer Macht der extremen Rechten für unser demokratisches Gemeinwesen hätte," so Rüdiger Schuch.
Der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz Thüringen, Stephan J. Kramer, sagte in seiner Gastrede, dass er die Einladung gern angenommen habe, weil er das umfängliche Versprechen gesellschaftlicher Teilhabe, das die Diakonie täglich mit ihrem 'Dienst am Menschen' einlöst, als spiegelbildlich zu seiner eigenen Tätigkeit verstehe.
"Wir Verfassungsschützer verteidigen die Gleichheitsannahme unseres Grundgesetzes, auf dem jedes Inklusionsversprechen aufruht, gegen seine Gegner. Sie hingegen füllen es in ihrer wertvollen Arbeit mit Leben", so Kramer. "Die Weimarer Republik ist seinerzeit nicht an zu vielen Nazis gescheitert, sondern an zu wenigen Demokraten, die täglich das Wort für ihre – und das Possessivpronomen hat hier seinen Platz – Demokratie ergriffen hätten. Die Demonstrationen für die Demokratie und nicht gegen 'Rechts' der letzten Wochen sind eine Ermutigung. Hinzukommen muss aber auch ein anderer Politikstil der Regierenden einerseits und ein deutlicheres Bekenntnis Aller zu unserer freiheitlichen Grundordnung im Alltag andererseits; bei Kommentaren im Kollegenkreis, in der Familie oder in den sozialen Netzwerken. Wie es mit unserer Demokratie weitergeht, hängt von uns allen ab."
Der Wichernempfang findet jährlich in Anwesenheit geladener Gäste aus Kirche, Gesellschaft und Politik statt und beschäftigt sich mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen. Namensgeber ist der Theologe Johann Hinrich Wichern (1808-1881), der als Begründer der modernen Diakonie gilt.