Renate Krause: Armutserfahrenen Menschen eine Stimme geben
Renate Krause (71) ist eine Kämpferin des Alltags: Trotz schwerer Rückschläge und finanzieller Hürden gibt sie nicht auf. Mit ihrem Engagement in der Nationalen Armutskonferenz ermutigt sie andere Menschen mit Armutserfahrung, ihre Stimme zu erheben.
Als alleinerziehende Mutter von vier Kindern und Großmutter von sieben Enkelkindern hat Renate Krause (71) viele Herausforderungen gemeistert. Ihr beruflicher Werdegang begann als Inhaberin eines Geschäfts für Naturtextilien. Später arbeitete sie an den Wochenenden als Schaustellerin auf verschiedenen Märkten. Ein Augentumor zwang sie jedoch, ihre Arbeit aufzugeben. Aufgrund ihrer Erkrankung musste Renate in die Erwerbsminderungsrente wechseln, die inzwischen durch die Grundsicherung ergänzt wird. Heute engagiert sie sich aktiv in der Nationalen Armutskonferenz (nak), sowohl im Organisationsteam als auch als Delegierte auf europäischer Ebene.
Die Einschränkungen, die ihre finanzielle Situation mit sich bringt, beeinflussen den Alltag von Renate Krause erheblich. Besonders schmerzlich ist für sie, dass sie ihre Enkelkinder zu deren Geburtstagen nicht besuchen kann. "Für mich als Großmutter ist es eine große Katastrophe, wenn ich meine sieben Enkelkinder an ihren Geburtstagen nicht sehen kann, weil sie über ganz Deutschland verstreut leben und ich es mir nicht leisten kann, zu ihnen zu fahren oder ihnen etwas zu schicken", bedauert sie.
Klima und Armut
Die gebürtige Hamburgerin beschäftigt sich mit den Herausforderungen, die Klima und Armut mit sich bringen. Ein Beispiel: Ihre alte Waschmaschine verbraucht viel Strom. "Soll ich sie durch eine energiesparende ersetzen? Kann ich mir nicht leisten. Soll ich die funktionierende wegwerfen? Das ist auch nicht gut fürs Klima, weil es Elektroschrott ist", erklärt sie. Das Thema nachhaltiger Konsum und Reparieren statt Ersetzen liegt ihr besonders am Herzen.
Gesunde Ernährung für alle
Der finanzielle Engpass schlägt auch auf Renate Krauses Gesundheit. Gesunde Ernährung ist teuer. "Ich kann mir die empfohlene Ernährung nicht leisten, vor allem angesichts der steigenden Inflationsrate, selbst wenn ich einen eigenen Garten hätte", sagt sie. Die Diskrepanz zwischen den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und dem tatsächlich im Bürgergeld vorgesehenen Betrag macht es Renate schwer, sich ausgewogen zu ernähren. Dies führt auch zu gesundheitlichen Problemen. Sie berichtet von einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und dem "direkten Weg ins Unglücklichsein". Sie setzt sich dafür ein, dass jeder Person täglich eine gesunde und ausgewogene warme Mahlzeit zur Verfügung steht und der Satz für Ernährung in den Sozialleistungen erhöht wird.
Armut macht einsam
Einsamkeit ist ein weiterer Aspekt, der Renate Krause tief berührt. Durch ihre Berufstätigkeit als Schaustellerin war sie stets unterwegs und hat nur wenige Sozialkontakte an ihrem Wohnort in Kiel. "Ich könnte raus gehen und mich zum Beispiel einer Doppelkopfrunde anschließen, aber treffen die sich in einer Kneipe, kann ich mir das Bier dazu nicht leisten. Aus dem Haus gehen bedeutet Geld ausgeben," erklärt sie. Die Konsequenz ist, dass sie viel Zeit vor dem Fernseher verbringt und dabei oft auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen durch eine ungesunde Ernährung hingewiesen wird.
Stigmatisierung und Teilhabe
„Für die psychische Gesundheit ist es sehr wichtig, sich nicht stigmatisiert zu fühlen und am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Die Ausgabe von Gutscheinen an Menschen mit Armutserfahrungen ist oft kontraproduktiv und führt zu einer weiteren Stigmatisierung“, sagt Renate Krause. Wenn sie beispielsweise Gutscheine für die Kieler Woche erhält, stößt sie bei den Standbetreibern auf Unverständnis und Ablehnung, bis sie schließlich einen Stand findet, der den Gutschein akzeptiert. Dieser Prozess verstärkt das Gefühl ausgegrenzt und bloßgestellt zu werden.
Politisches Engagement
Trotz all dieser Herausforderungen zeichnet sich Renate Krause durch ihr politisches Engagement im Kampf gegen die Armut aus. Mit ihrer Rhetorik und ihrem Hintergrundwissen kann sie andere mitreißen und inspirieren. Dabei weiß sie, dass Veränderung vor allem bei ihr selbst beginnen muss. "Andere Menschen, die in Armut leben, verstecken sich und merken gar nicht, dass sie einsam sind. Sie können es auch nicht ausdrücken", sagt sie. Renate Krause will vor allem eines: ihre Stimme erheben und selbstbestimmt leben.
Selbstbestimmung und Wahlfreiheit
Renate Krause legt großen Wert darauf, selbstbestimmt einkaufen zu können und Wahlmöglichkeiten zu haben. Sie erklärt: "Ich möchte das kaufen können, was mir schmeckt. Ich kaufe in erster Linie ein, was gerade im Angebot ist und nicht, was mir schmeckt." Während andere es sich leisten können, zwischen verschiedenen Produkten zu wählen, hat Renate Krause diese Möglichkeit nicht.