©Hephata/Stefan Betzler
Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch im Interview

Lebendige Orte der Demokratie

Der Einsatz für die Demokratie stand im Mittelpunkt der Sommerreise von Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch im August 2024. Auf seiner Reise durch Thüringen, Hessen und Sachsen traf er Menschen, die sich in Projekten und Einrichtungen der Diakonie für eine inklusive und vielfältige Gesellschaft engagieren.

Herr Schuch, was hat Sie besonders beeindruckt?

Ich bin tief beeindruckt von dem vielfältigen Engagement, das ich bei dieser Reise kennenlernen durfte. Ich habe auf meiner Tour von Erfurt bis Görlitz gelebte Nächstenliebe wahrgenommen und spüre den Willen, einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme zu leisten: in der professionellen Arbeit für Menschen in Not und im zivilgesellschaftlichen Engagement für eine lebendige Demokratie.

Die Diakonie ist an vielen Orten ein wichtiger zivilgesellschaftlicher Akteur. Wie politisch darf die Diakonie sein?

Diakonie ist parteipolitisch neutral - aber sie ist politisch, wenn es um die Interessen der Menschen geht, die sich der Diakonie anvertrauen. Und sie ist politisch, wenn Demokratie und Rechtsstaat in Frage gestellt werden. Denn unser Kerngeschäft als evangelischer Wohlfahrtsverband ist die christliche Nächstenliebe, die allen Menschen gilt. Wenn wir erleben, dass ganze Gruppen von Menschen angefeindet werden, stellen wir uns dem entschieden entgegen. Denn wir wollen als inklusive und offene Gesellschaft zusammenleben.

Das Thema der Reise war Demokratie und Demokratieförderung. Wie steht es um Demokratie und Rechtsstaat in den Orten, die Sie besucht haben?

Ich habe ein starkes Bekenntnis zu unserer freiheitlichen Demokratie gespürt. Die Kehrseite dieses Bekenntnisses ist, dass wir auch ihre Zerbrechlichkeit gespürt haben. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Selbstverständlichkeit des demokratischen Zusammenlebens zunehmend in Frage gestellt wird.

Es ist für mich unerträglich, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Migrations- und Demokratieberatung rechtspopulistischen Anfeindungen ausgesetzt sind und ich war entsetzt, als ich hörte, dass ein geflüchtetes Kind aus rassistischen Gründen aus dem Bus geworfen wurde.

Ein Mitarbeiter einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen teilte mit mir seine Angst: Er befürchtet das Ende inklusiver Angebote, wenn die AfD in Regierungsverantwortung kommt. Andere Mitarbeitende berichten, dass Menschen mit Behinderungen nicht selbstverständlich Arzttermine für notwendige Operationen bekommen, mit der Begründung, sie seien zu unbequem und herausfordernd. Das ist erschreckend.

Gleichzeitig habe ich in diesen Gesprächen aber auch viel Hoffnungsvolles gehört. Zum Beispiel von gelungener Integration in Form von Spracherwerb und Berufseinstieg. Oder von Menschen, denen der vertrauensvolle Austausch mit Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen der Diakonie geholfen hat, mit Ängsten und Einsamkeit umzugehen und neue Perspektiven zu entwickeln. Es ist bereichernd, dass ich hier so viele wundervolle Mitarbeitende erleben durfte, die sich mit Herzblut für die Menschen in ihrer Umgebung einsetzen.

Interview: Diakonie/Verena Götze

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