Illustration Hilfe bei psychsichen Erkrankungen und Sucht
© Diakonie/Francesco Ciccolella

Wissen kompakt: Sucht im Alter

Nach Schätzungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sind rund 400.000 Menschen über 60 Jahren alkoholsüchtig. Wieso ist Sucht gerade im Alter ein Problem? Welche Risiken haben ältere Menschen, süchtig zu werden? Hintergründe bietet diese Übersicht.

30.01.2024

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Was bedeutet Sucht?

Allgemein werden mit dem Begriff Sucht nicht nur Abhängigkeitserkrankungen gemeint, sondern die Gesamtheit von riskanten, schädlichen und abhängigen Verhaltensweisen in Bezug auf Suchtmittel (legale wie illegale) sowie nichtstoffgebundene Verhaltensweisen (wie Glücksspiel und pathologischer Internetgebrauch). Sucht ist häufig mit dramatischen persönlichen Schicksalen verbunden. Sie betrifft Familienangehörige ebenso wie Freundinnen und Freunde oder Kolleginnen und Kollegen. Abhängigkeitserkrankungen sind oft schwere chronische Krankheiten, die zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und vorzeitiger Sterblichkeit führen können.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betont, dass eine Abhängigkeitserkrankung eine Krankheit ist, die jeden Menschen treffen kann. In der internationalen Einstufung von Krankheiten (International Classification of Diseases) legt die WHO sechs Kriterien für die Diagnose "Abhängigkeitserkrankung" fest. Für das Vorliegen einer Abhängigkeitserkrankung beziehungsweise umgangssprachlich einer Sucht müssen mindestens drei der sechs Kriterien im Lauf eines Jahres gleichzeitig erfüllt sein.

Wieso ist Sucht gerade im Alter ein Problem?

Sucht im Alter ist schwerer zu erkennen

Im Alter leben viele Menschen alleine und haben weniger soziale Kontakte. Eine Suchterkrankung wird daher selten oder oft erst sehr spät, zum Beispiel von Angehörigen oder Ärzten, entdeckt. Substanzbezogene Störungen bei älteren Menschen sind auch deswegen schwer zu erkennen, da ihre Symptome auch typische Begleiterscheinungen des Alters sein können. So können Stürze, nachlassende körperliche Leistungsfähigkeit, Antriebs- und Interesselosigkeit oder Stimmungsschwankungen Zeichen einer Sucht sein, aber auch Anzeichen einer Depression, einer Demenz oder ganz normalen Alterns.

Welche besonderen Risiken haben ältere Menschen, süchtig zu werden?

Sucht im Alter hat vielfach soziale Gründe: Zunehmend mehr ältere Menschen leben in Armut. Häufig sind sie sozial isoliert und leiden unter mehreren, auch chronischen Erkrankungen. In höherem Lebensalter müssen sich Menschen zudem verstärkt mit psychisch belastenden Themen auseinandersetzen. Dazu zählen beispielsweise der Bedeutungsverlust nach dem Ende der Erwerbstätigkeit, der Tod des Lebenspartners oder der Lebenspartnerin oder auch das Bewusstsein über die eigene Endlichkeit.

Auch die körperlichen Risiken sind bei älteren Menschen anders als bei jüngeren. So ist beispielsweise der Stoffwechsel älterer Menschen verlangsamt, der Flüssigkeitshaushalt im Körper sinkt. Stoffe wie Alkohol werden durch die Leber nicht mehr so gut abgebaut. Die körperlichen Schäden sind höher als bei jungen Menschen.
Ein weiteres Risiko: Viele ältere Menschen nehmen eine Vielzahl unterschiedlicher Medikamente ein. Nahezu ein Drittel nimmt gleichzeitig mehr als fünf Medikamente ein. Ein Teil von ihnen kann zu Abhängigkeitserkrankungen führen. Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel haben ein besonders hohes Suchtpotenzial. 
Hinzu kommt: Sucht im Alter ist in der Gesellschaft ein Tabuthema und wird als Problem an sich sowie in seinem Ausmaß häufig ignoriert oder unterschätzt.

Hintergrund und Zahlen

Belastbare repräsentative Zahlen zu Suchterkrankungen älterer Menschen liegen kaum vor, die Angaben beruhen zum Teil auf Schätzungen. In Deutschland sind nach Schätzungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) rund 400.000 Menschen über 60 Jahren alkoholsüchtig. Zwischen 1,7 und 2,8 Millionen ältere Menschen nehmen nach Angaben der DHS zu viele so genannte psychoaktive Medikamente wie Schlaf-, Schmerz- oder Beruhigungsmittel ein.

Bewertung der Diakonie Deutschland

Sucht im Alter ist in Deutschland nach wie vor ein Tabuthema. Auch das Ausmaß wird häufig unterschätzt. Dies sind mit Gründe dafür, dass Abhängigkeitserkrankungen älterer Menschen häufig unentdeckt bleiben oder erst sehr spät auffallen. Wichtig ist nach Ansicht der Diakonie daher, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Dringend notwendig ist es, Mitarbeitende in der Sucht- und Altenhilfe gezielt für die Bedürfnisse dieser älteren Zielgruppe zu qualifizieren sowie spezielle Konzepte für ältere Menschen mit Suchtproblemen zu entwickeln. In den letzten Jahren hat sich die Suchthilfe zwar zunehmend auf die ältere Zielgruppe eingestellt. Sie erreicht jedoch immer noch zu wenige Menschen. Nach wie vor ist es wichtig, dass sich Sucht- und Altenhilfe besser vernetzen und regional kooperieren.

Zudem fordert die Diakonie Deutschland, offene, gemeinwesenorientierte und auch aufsuchende Angebote auszubauen, um mehr ältere suchtkranke Menschen zu erreichen, da sie häufig in ihrer eigenen Wohnung leben und durch die bestehenden Hilfsangebote vielfach nicht angesprochen werden.

Darüber hinaus plädiert die Diakonie dafür, die Kontakte zwischen der Sucht- und Altenhilfe sowie dem Gesundheitssystem zu intensivieren und zu institutionalisieren. Dazu zählen zum Beispiel verbindliche Kooperationen zwischen Pflegeheimen und regionalen Apotheken die sicherstellen, dass die suchtkranken Menschen angemessen medikamentös versorgt und beraten werden. Institutionalisierte Gespräche, gemeinsame Fallbesprechungen oder Fortbildungen von Ärzt*innen und pflegenden Mitarbeitenden können einen sachgerechten Umgang mit Psychopharmaka und anderen Medikamenten erleichtern. Fortbildungen für Hausärzt*innen, die für das Thema Sucht im Alter sensibilisieren, können dazu beitragen, dass substanzbezogene Störungen im Alter besser erkannt werden und mehr Menschen eine gezielte Unterstützung erhalten.

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