Wissen kompakt: Fachkräfteeinwanderung
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurde zuletzt 2023 geändert. Warum davon vor allem Fachkräfte ohne akademischen Abschluss, niedrig Qualifizierte und Ausbildungssuchende aus Drittstaaten profitieren und weitere Hintergründe, beantwortet diese Übersicht.
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Wozu ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz?
Bisher halten bürokratische Hürden und die geforderten umfassenden Sprachkenntnisse viele Menschen davon ab, für eine neue Arbeitsstelle nach Deutschland einzuwandern. Dabei fehlen in vielen Branchen ausgebildete Fachkräfte, was für immer mehr Unternehmen zum Problem wird. Sie können nicht mehr alle Leistungen erbringen oder es ergeben sich für Kundinnen und Kunden zum Teil lange Wartezeiten. Nicht nur Fachkräfte, sondern Erwerbspersonen überhaupt werden gesucht. Denn auch weniger qualifizierte Arbeitskräfte werden benötigt, zum Beispiel im Gaststättengewerbe.
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vereinfacht seit 2019 die Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten, den sogenannten Drittstaaten. Ziel ist, mehr Menschen aus dem Ausland mit qualifizierter Berufsausbildung den Weg nach Deutschland zu ebnen, um dort zu arbeiten. Das Gesetz wurde mehrfach geändert, zuletzt 2023.
Was sind die Inhalte des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes?
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz richtet sich an Fachkräfte aus Drittstaaten, die in Deutschland arbeiten möchten. Für die Einwanderung zu Erwerbszwecken gibt es im Kern zukünftig folgende Wege:
1 – Der Weg über die mitgebrachte Berufsqualifikation
Mit dem Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ dürfen Staatsangehörige eines Nicht-EU-Mitgliedsstaates in der Europäischen Union (EU) arbeiten und leben. Die maximale Aufenthaltserlaubnis beträgt vier Jahre. Nach drei Jahren Beschäftigung in Deutschland ist die Beantragung eines unbegrenzten Aufenthaltstitels möglich.
Mit der Blauen Karte EU können Menschen mit in Deutschland besonders gefragten anerkannten Abschlüssen, zum Beispiel IT-Spezialisten und IT-Spezialistinnen, nach Deutschland kommen. Neu sind die Regelungen:
- Das Mindestgehalt wird verringert.
- Die Dauer der Berufserfahrung wird abgesenkt.
- Auf den Nachweis von Deutschkenntnissen wird verzichtet.
Darüber hinaus öffnet ein vorhandener Arbeitsvertrag die Türen. Jede Fachkraft aus einem Drittstaat, die einen Arbeitsvertrag in Deutschland und entsprechende berufliche Qualifikation nachweisen kann, darf nach Deutschland kommen. Fachkraft im Sinne des Gesetzes ist, wer
- eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder eine mit einer inländischen Berufsausbildung gleichwertige ausländische Berufsqualifikation besitzt oder
- einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen mit einem deutschen vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss.
2 – Der Weg über die Berufserfahrung
Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Ausland erworbenen und dort staatlich anerkannten Berufsabschluss hat, kann als Fachkraft einwandern. Der Abschluss muss bei Einhaltung der Gehaltsschwelle nicht mehr zuvor in Deutschland anerkannt werden.
Mit dem erforderlichen Mindestjahresgehalt von 43.800 Euro brutto soll erreicht werden, dass die Fachpersonen langfristig eine gute Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben.
Wer die Gehaltsschwelle nicht erreicht, muss seinen Berufsabschluss allerdings weiter in Deutschland anerkennen lassen. Damit das Anerkennungsverfahren den Arbeitsbeginn nicht verzögert, wird die Möglichkeit einer Anerkennungspartnerschaft zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern geschaffen.
3 – Der Weg über die Ausbildung
Ein Zuzug aus dem Ausland ist zur Ausbildungsplatzsuche möglich, jedoch an hohe Voraussetzungen geknüpft. Reisen junge Menschen mit einer Ausbildungsplatzzusage ein, kann die Aufenthaltserlaubnis bereits vor Beginn der Ausbildung für die Teilnahme an einem berufsbezogenen Deutschsprachkurs ausgestellt werden.
Die Ausbildungsplatzsuche für junge Drittstaatsangehörige bis zum 24. Lebensjahr wird vereinfacht. Künftig reicht ein Schulabschluss, der ein Studium im Heimatland ermöglicht. Der Aufenthalt für die Ausbildungsplatzsuche ist – wie für die Arbeitsplatzsuche – auf sechs Monate beschränkt. Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Studienplatzsuche kann für maximal neun Monate erteilt werden. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass sich die jungen Menschen ihren Lebensunterhalt selbst sichern und die deutsche Sprache sprechen.
4 – Der Weg über die Chancenkarte und das Punktesystem
Für Zuwanderungswillige, die noch kein konkretes Arbeitsplatzangebot haben, gibt es ab Juni 2024 die „Chancenkarte“. Diese basiert auf einem Punktesystem.
Voraussetzung sind
- einfache deutsche Sprachkenntnisse (A1) oder Englischkenntnisse auf dem Level B2,
- eine mindestens zweijährige Berufsausbildung nach den Regeln des Herkunftslandes und
- die Erfüllung von sechs Punkten nach folgendem Schema:
- Vier Punkte erhalten Facharbeiter*innen für einen ausländischen Berufsabschluss, der nach deutschen Standards anerkannt wird, auch wenn eventuell noch eine Nachqualifizierung erforderlich ist.
- Drei Punkte gibt es für mindestens fünfjährige Berufserfahrung in den letzten sieben Jahren, die im Zusammenhang mit der Berufsqualifikation steht, oder für „gute deutsche Sprachkenntnisse“ (mind. B2-Niveau).
- Zwei Punkte erhalten Fachkräfte für „ausreichende deutsche Sprachkenntnisse“ auf B1-Level, für zweijährige Berufserfahrung in den letzten fünf Jahren, die im Zusammenhang mit der Berufsqualifikation steht, sowie Personen, die nicht älter als 35 Jahre sind.
- Einen Punkt gibt es „für hinreichende deutsche Sprachkenntnisse“, bei einem vorangegangenen Aufenthalt in Deutschland (mindestens sechs Monate in den letzten fünf Jahren), bei einem Alter zwischen 35 und 40 Jahren, bei Englisch-Kenntnissen auf C1-Niveau, wenn die Qualifikation einem Engpassberuf zugeordnet werden kann und wenn der Partner Kriterien für die Chancenkarte erfüllt und gleichzeitig einen Antrag stellt.
- Vier Punkte erhalten Facharbeiter*innen für einen ausländischen Berufsabschluss, der nach deutschen Standards anerkannt wird, auch wenn eventuell noch eine Nachqualifizierung erforderlich ist.
Mit der Chancenkarte ist es möglich, dass potenzielle Arbeitnehmer aus Drittstaaten für zunächst ein Jahr nach Deutschland einreisen können, um sich eine Stelle zu suchen. Die Karte kann einmalig um zwei Jahre verlängert werden. Hinzu kommt: Schon während der Arbeitsplatzsuche ist die Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von bis zu zwanzig Wochenstunden erlaubt, ebenso wie eine Probebeschäftigung von bis zu zwei Wochen beim künftigen Arbeitgeber.
5 – Wege für niedrig Qualifizierte
Wer ein Beschäftigungsangebot aus Deutschland erhält, kann ohne berufliche Qualifikationen einreisen. Dafür wird im Juni 2024 die sogenannte „Westbalkan-Regelung“ entfristet. Künftig können jährlich bis zu 50.000 Staatsangehörige aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien nach Deutschland zuziehen.
Hintergrund und Zahlen
1991 bis 2022 zogen zehn Millionen Menschen mehr aus dem Ausland zu als dorthin fort. Dank der Zuzüge vergrößerte sich die Bevölkerung in Deutschland trotz niedriger Geburtenzahlen von 80 auf 84 Millionen Menschen. Damit befindet sich die Zahl der Erwerbstätigen auf einem Höchststand. Ohne weitere Zuzüge insbesondere aus EU-Drittstaaten würde die Zahl der Erwerbspersonen deutlich absinken. Und schon jetzt werden überall Fachkräfte und überhaupt Personal händeringend gesucht. Daher hört man oft die Forderung, mehr Fachkräfte aus dem Ausland, besonders aus Drittstaaten, zu gewinnen.
Was ist davon zu halten?
Deutschland ist nicht wirklich attraktiv für internationale Fachkräfte. Ende 2022 waren aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU) nur rund 351.000 Personen mit einem befristeten Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit erfasst. Die Gründe: zu niedrige Gehälter im internationalen Vergleich, die schwer zu erlernende deutsche Sprache und die Bürokratie.
Die Fachkräftezuwanderung in Deutschland steigt zwar seit Jahren leicht an. Allerdings macht der Anteil an zugewanderten Erwerbspersonen mit 8 Prozent der Gesamtzuwanderung aus Drittstaaten nur einen kleinen Teil aller Zuzüge aus. Den Angaben im Migrationsbericht der Bundesregierung nach kamen im Jahr 2021 rund 40.000 Menschen aus Drittstaaten als Erwerbsperson nach Deutschland. Dies entspricht weniger als 0,1 Prozent des gesamten Erwerbspersonenpotenzials in Deutschland. Die meisten dieser Fachkräfte kamen 2022 aus den Westbalkanländern, aber auch aus Indien, der Türkei und den USA. In der überwiegenden Mehrzahl kamen die zugezogenen Drittstaatsangehörigen nicht mit einem Aufenthaltstitel zu Erwerbs- oder Bildungszwecken, sondern über den Familiennachzug, als Asylsuchende oder mit anderen Aufenthaltstiteln.
Erfahrungsgemäß verbleiben Asylsuchende etwa zur Hälfte dauerhaft in Deutschland. Die bereinigte Schutzquote hat 2022 einen Höchststand von mehr als 70 Prozent erreicht. Viele der in Deutschland lebenden Geflüchteten haben die deutsche Sprache erlernt, sind durch mehrjährige Aufenthalte in der deutschen Gesellschaft sozialisiert worden oder haben sogar das deutsche Schulsystem oder eine Ausbildung durchlaufen. Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten Geflüchtete in einer Zahl aufgenommen, die relevant für das Erwerbspersonenpotenzial ist, relevanter als die mit einem Aufenthaltstitel zu Erwerbs- und Bildungszwecken.
Bewertung der Diakonie Deutschland
Was ist gut am Fachkräfteeinwanderungsgesetz?
Unter dem Strich gibt es im Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine ganze Reihe von deutlichen Verbesserungen, vor allem für Fachkräfte ohne akademischen Abschluss, auch für niedrig Qualifizierte und für Ausbildungssuchende.
Die Auswirkungen der neuen Regelungen sind schwer abschätzbar. Das hängt auch von der Art der Umsetzung ab, davon, ob es eine Willkommenskultur gibt bei den Behörden, angefangen mit den Visastellen und schließlich auch bei den einstellenden Betrieben. In Ballungsgebieten geht es um die Beschaffung von Wohnungen, in ländlichen Gebieten mehr um die interkulturelle Öffnung.
Wenn es gut läuft, wird das Fachkräfteeinwanderungsgesetz für eine freilich nicht allzu große Zahl von nach Deutschland kommenden Menschen eine berechenbare Perspektive für ein neues und ein besseres Leben bringen. Arbeitgeber, zum Beispiel in der Pflege, erhalten einen neuen Baustein für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses.
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz kann jedoch darüber hinaus Schutz- und Aufnahmesuchenden reguläre Wege nach Deutschland schaffen. Die Herausforderung ist in beiden Fällen das Matching: Wie finden Schutzsuchende und ausbildungswillige Arbeitgeber zueinander?
Fachkräfteeinwanderung bedeutet auch eine Verjüngung der Gesellschaft. Es sind allmähliche gesellschaftliche Umwälzungen damit verbunden, bei denen wir immer die Balance halten müssen, dass alle – Dazugekommene und Einheimische – zu ihrem Recht kommen. Schließlich darf auch nicht vergessen werden, dass die größten Erwerbspersonenpotenziale in der heimischen Bevölkerung liegen.
Was ist nicht so gut?
Für Einwanderung rein zu Erwerbszwecken ist die Bundesrepublik nicht attraktiv genug, um die daran geknüpften hohen Erwartungen zu erfüllen. Indessen wird es Einwanderung aus humanitären Gründen weiterhin geben. Daher ist es sinnvoll, noch stärker als bisher die aus humanitären Gründen aufgenommenen Menschen in Lohn und Brot zu bringen. Das ist vor allem auch über den Weg der Ausbildung möglich.
Sehr bedauerlich: Die sogenannte Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung ist mit so hohen Hürden verbunden, dass sie nur für eine kleine Zahl Asylsuchender den Zugang zum Beispiel in die Pflegeberufe eröffnen wird. Von einem „Spurwechsel“ von der Asylsuche zur Fachkräfteeinwanderung kann also nicht wirklich gesprochen werden.
Das deutsche Aufenthaltsrecht konzentriert sich insgesamt immer noch zu sehr auf die Unterscheidung in erwünschte und unerwünschte Zuwanderung: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in Kröpfchen. Das schafft sehr widersprüchliche Signale in der Einwanderungspolitik und in der Willkommenskultur. Viel besser wäre es, die Potenziale aller, die kommen, wertzuschätzen, nach Möglichkeit zu nutzen und auf Krisen und Fluchtbewegungen nicht allein mit Abwehr und Kontrolle zu reagieren, sondern Betroffenen Perspektiven zu eröffnen.
Welche Auswirkungen gibt es in den Herkunftsländern?
Es besteht die Gefahr, dass Hochqualifizierte und gut Ausgebildete, die aus Ländern des Globalen Südens abgeworben werden, dann in ihren Herkunftsländern fehlen. Besonders gilt das für Länder, die selber ein Geburtendefizit haben oder bereits stark von Auswanderung betroffen sind. Andere Länder, deren Bevölkerung wächst und in denen junge, qualifizierte Menschen keinen Arbeitsplatz finden, profitieren dagegen auch von den Rücküberweisungen aus Zielländern wie der Bundesrepublik.
Gerade in der Gesundheitsversorgung werden durch Abwerbung von Personal empfindliche Lücken aufgetan. Um dieser Gefahr zu begegnen, setzt Deutschland den „Globalen Verhaltenskodex für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften“ der Weltgesundheitsorganisation WHO um. Gesundheitsfachpersonen aus mehr als fünfzig Ländern, in denen es laut WHO eine Unterversorgung an solchem Personal gibt, dürfen nicht vermittelt werden.
Ausgenommen davon sind zwischenstaatliche Migrationspartnerschaften. Solche Vereinbarungen, etwa zwischen Deutschland und einem Herkunftsland, können Kompensationen und Ausgleichsmaßnahmen für die Herkunftsländer vorsehen. Damit lassen sich reguläre Wege der Migration schaffen. Leider sind jedoch die Migrationspartnerschaften der Bundesregierung so angelegt, dass sie primär irreguläre Migration zu verhindern suchen und für die Fachkräftegewinnung somit nicht attraktiv sind.
Weitere Informationen
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Wissen kompakt zum Download: Fachkräfteeinwanderung PDF (468 KB)
- Einwanderungspolitik und Einwanderungsgesetzgebung, Diakonie Texte 07.2019
- Beratungsportal der Diakonie Baden für internationale Arbeitssuchende
- Portal der Bundesregierung für internationale Arbeitssuchende
- Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege: Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung
Kontakt
Johannes Brandstäter
Migrationspolitische Grundsatzfragen (Migration)
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