Karsten Dunzweiler
©Diakonie

Karsten Dunzweiler: Von der Straße zur Stimme für Reformen

Seine Botschaft lautet: Wohnungslose Menschen brauchen umfassenden Krankenversicherungsschutz und zielgerichtete Unterstützung – statt bürokratischer Hürden.

Diesmal nicht, dachte sich Karsten Dunzweiler, als sein Vermieter zum wiederholten Mal in seine Wohnung einbrechen wollte, um ihn rauszuschmeißen: "Ich habe gelernt zu kämpfen und mich zu wehren!“ Früher hätte der 54-Jährige den Kopf in den Sand gesteckt und kleinbeigegeben. Heute rief er die Polizei und konnte die Situation ruhig und entschlossen klären: Er wusste, dass er das Recht auf seiner Seite hat und der Vermieter ihn nicht einfach aus der Wohnung werfen kann. „Jetzt kommt es mir zugute, dass ich in der Nationalen Armutskonferenz (nak) mitarbeite“, resümiert er, „ich konnte anwenden, was ich bei all den Treffen und Veranstaltungen gelernt habe. Durch die Gemeinschaft, aber auch durch die Wissensvermittlung habe ich an Kraft gewonnen.“

Karsten Dunzweiler bezieht derzeit Bürgergeld. Nach einer langen Phase der Wohnungslosigkeit, die insgesamt 14 Jahre andauerte, fand er 2018 über das Wohnungslosentreffen, zum Armutsnetzwerk, das als Selbstorganisation Mitglied in der Nationalen Armutskonferenz (nak) ist. Kurz darauf verhalf ihm die Mission Leben in Mainz zu einer eigenen Einzimmerwohnung, in der er bis heute lebt. 

"Niemand, der auf der Straße lebt, führt Buch über seine Einkünfte“

Ein zentrales Thema, das Karsten beschäftigt, ist die Verschuldung bei Krankenkassen, insbesondere die Herausforderungen, die sich daraus bei der Wohnungssuche ergeben können. Er war 2014 davon selbst betroffen, als seine Eltern einen Mahnbrief seiner Krankenkasse erhielten. Damals lebte Karsten ohne festen Wohnsitz und erhielt seine Sozialleistungen in Form von Tagessätzen, die er täglich abholen musste. Die Krankenkasse forderte fast 16.000 Euro von ihm, da sie davon ausging, dass er in den angegebenen Zeiträumen selbstständig gearbeitet und seine Beiträge nicht gezahlt hatte. Diese Situation entsteht häufig, wenn Tagessätze nicht regelmäßig abgeholt werden oder die Anmeldung eines Geldholers vergessen wird. Dann erfolgt automatisch eine Einstufung in die freiwillige Krankenversicherung mit sehr hohen Beitragspflichten.

"Niemand, der auf der Straße lebt, führt Buch über seine Einkünfte“, sagt Karsten Dunzweiler. Wie viele Wohnungslose war er sich der Problematik zunächst nicht bewusst. Doch er konnte rechtzeitig reagieren, indem er die Krankenkasse anschrieb und auf seine Situation aufmerksam machte: Wohnungslos, ohne Arbeit, ohne Konto - eine Rückzahlung war schlicht unmöglich. Er legte Widerspruch ein, um Zeit zu gewinnen, und erklärte der Krankenkasse seine Situation. Ein langwieriger Prozess, der viel Schreibarbeit, Recherche, Geduld und Hartnäckigkeit erforderte. Schließlich zeigte sich die Krankenkasse kulant und reduzierte die Forderung auf rund 200 Euro Eigenanteil. Auch diese Forderung lehnte Karsten ab und hat seitdem Ruhe.

„Hier zahlt sich Hartnäckigkeit aus. Man muss der Krankenkasse gegenüber immer wieder seine Unschuld beteuern“, berichtet Karsten. Denn wenn ein Mahnschreiben nicht rechtzeitig bearbeitet wird und stattdessen ein förmliches Schreiben vom Gericht zugestellt wird, kann dies schwerwiegende Folgen haben – bis hin zu einem Eintrag bei der Schufa oder Creditreform, der die Wohnungssuche erheblich erschwert.

Karsten Dunzweiler fordert, dass wohnungslose Menschen grundsätzlich vollen Krankenversicherungsschutz genießen sollten. Denn bei Schulden ruhen der Versicherungsschutz und die Leistungen, Menschen werden dann, wenn überhaupt, nur noch in extremen Notfällen behandelt. Er setzt sich dafür ein, dass wohnungslose Menschen die notwendige Unterstützung erhalten und auf ihre Rechte aufmerksam gemacht werden. Sein Engagement zeigt, dass Hartnäckigkeit und Aufklärung entscheidend sind, um sich gegen systembedingte Schwierigkeiten durchzusetzen und zu erkennen, dass man nicht allein ist.

Mit seinem Engagement im Armutsnetzwerk und in der nak kam die Wende in seinem Leben: „Zuletzt hatte ich sogar die Ehre, als Delegierter für das Europäische Armutsnetzwerk nach Brüssel und Madrid zu reisen, um für die Armen in Deutschland zu sprechen.“  Seine politische Arbeit gibt ihm viel Motivation und Sinn: "Als jemand, der ganz unten steht, hat man keine Chance, sich zu äußern, weil alle nur sagen: Selbst schuld, aber jetzt kann ich mich engagieren und vielen, die mir zuhören, die Augen öffnen.“

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