© Friederike Stahlmann

Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen

Die Studie der Sozialwissenschaftlerin und Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann von 2021 zeigt: Abgeschobenen Afghanen drohen lebensgefährliche Verletzungen, Verelendung und Verfolgung.

„Bis ich zurückgekommen bin, war meine Familie ok. Wegen mir wurden sie bedroht, jetzt sind sie verschollen.“

Abschiebungen nach Afghanistan bringen die Menschen in Gefahr: Rückkehrern drohen Gefahr für Leib und Leben, Verelendung und Verfolgung. Unter anderem werden ihnen wegen der Flucht nach Europa Verrat, Verwestlichung, unmoralisches Verhalten oder die Abkehr vom Islam vorgeworfen. Die Familien von Europa-Rückkehrern sind dadurch ebenfalls gefährdet. Auch deshalb fehlt abgeschobenen Afghanen vielfach das überlebenswichtige familiäre Netz. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Juni 2021 der Sozialwissenschaftlerin und Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann im Auftrag von Diakonie Deutschland, Brot für die Welt und der Diakonie Hessen.

Die Studie „Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen im Kontext aktueller politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen Afghanistans“ basiert auf mehrjähriger Forschung. Die Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann hat darin Erfahrungen von 113 der 908 Afghanen dokumentiert, die zwischen Dezember 2016 und März 2020 aus Deutschland abgeschobenen wurden. Nahezu alle erlebten Gewalt und viele, weil sie nach Europa geflohen sind, dort gelebt haben oder abgeschoben wurden. Das bringt auch ihre Familien in Gefahr.

Wie Khalil O., der erleben musste, dass seine Familie von den Taliban bedroht wurde, als er zurückkam. So wurde er gleich nach der Ankunft in Kabul von seiner Familie gewarnt, nicht nach Hause zu kommen, weil die Taliban schon dagewesen seien und sie bedroht hätten, damit sie ihn ausliefern. Er solle stattdessen fliehen. Kurz darauf brach der Kontakt zu seiner Familie dauerhaft ab. Seitdem lebt er mit der Angst und Schuldgefühlen, dass seine Abschiebung seine Familie womöglich das Leben gekostet hat: „Bis ich zurückgekommen bin, war meine Familie ok. Wegen mir wurden sie bedroht, jetzt sind sie verschollen. Ich kann nicht schlafen. Ich denke immer darüber nach, ob sie noch leben, und dass ich schuld bin.“

Weitere Fallbeispiele zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen*

* Alle Namen wurden zum Schutz der Betroffenen geändert.

Abgeschobene haben kaum Hoffnung auf minimale Existenzsicherung

Die Analyse der Erfahrungen Abgeschobener zeigt zudem, dass das spezifische Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, und der weitgehende soziale Ausschluss auch die Hoffnungen der Abgeschobenen auf minimale Existenzsicherung zunichte machen. Angesichts der extremen Armut, von der schon vor der rapiden Eskalation der humanitären Not durch die Corona-Pandemie 93 Prozent der Bevölkerung betroffen waren, haben Abgeschobene schon allein aufgrund ihres sozialen Ausschlusses keine realistische Chance, ihre Existenz zu sichern. 75 Prozent der Abgeschobenen haben hauptsächlich von privater Unterstützung aus dem Ausland gelebt, nur einer hatte existenzsichernde Arbeit und knapp 15 Prozent waren teilweise oder dauerhaft obdachlos und ohne Schutz vor Witterung. Die meisten Abgeschobenen haben das Land schon wieder verlassen.

Mehr zu den Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen finden Sie in der Studie „Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen im Kontext aktueller politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen Afghanistans“.

Die Studie und weitere Informationen

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