Position der Diakonie Deutschland zur Bezahlkarte
Eine Bezahlkarte für Personen im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) kann sinnvoll und diskriminierungsfrei in der Phase der Erstaufnahme für Asylsuchende eingesetzt werden, solange noch kein Konto vorhanden ist. Dies ist laut Beschluss der Ministerpräsident:innenkonferenz vom 6. November 2023 aber nicht beabsichtigt. Ziel der bundesweiten Einführung ist es vielmehr, die Bezahlkarte auch über die Zeit der Erstaufnahme hinaus einzusetzen und Barauszahlungen für die Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger einzuschränken. Darüber hinaus wird geäußert, durch die Bezahlkarte solle verhindert werden, dass „Flüchtlinge Geld an Schlepper oder an ihre Familie oder Freunde ins Ausland überweisen". Ebenso würde mit einer erheblichen Zahl von Asylbewerbern gerechnet, „die ausreisen werden, weil unser Sozialstaat plötzlich nicht mehr so attraktiv sei“. Zudem solle die Bezahlkarte die kommunale Verwaltung entlasten.
Zusammenfassend stellt die Diakonie Deutschland folgendes fest:
Die Bezahlkarte soll die Bargeldauszahlung beschränken und keine Kontofunktion haben, das heißt, Überweisungen und Lastschriften sind ausgeschlossen und der Einkauf kann auf bestimmte Händlergruppen und PLZ-Bereiche beschränkt werden. Dies führt aus Sicht der Diakonie Deutschland zu einer Entmündigung der Betroffenen, verhindert eine sparsame und selbstwirksame Lebensgestaltung sowie die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben.
Es ist nicht belegt, dass Höhe und Art von Sozialleistungen Auswirkungen darauf haben, dass Menschen Schutz in Deutschland suchen. Die hohen Anerkennungsquoten zeigen vielmehr, dass die meisten Personen tatsächlich schutzbedürftig sind. Die Sozialleistungen sind kein entscheidender Faktor für ihre Migration. Ebenso finden Überweisungen in Herkunftsländer erst in nennenswertem Umfang bei Erwerbstätigkeit statt – vor allem zur Unterstützung notleidender Familienmitglieder (siehe Faktencheck).
Eine Überweisung von Sozialleistungen auf ein normales Konto minimiert den Verwaltungsaufwand der Kommunen genauso wie das Aufladen einer Bezahlkarte. Die nun geplante Bezahlkarte ist hingegen mit hohen Einführungs- und Systemkosten sowie Gebühren verbunden.
Die Diakonie Deutschland fordert daher Bund, Länder und Kommunen auf, wenn überhaupt, die Bezahlkarte so zu gestalten, dass sie sinnvoll und diskriminierungsfrei eingesetzt wird.
Forderungen an die Ministerpräsident:innenkonferenz und den Bundesgesetzgeber
1. Es sind keine Änderungen am AsylbLG erforderlich. Die Bezahlkarte ist für die anfänglichen Grundleistungen schon jetzt ohne Gesetzesänderung einführbar.
In Erstaufnahmeeinrichtungen besteht Sachleistungsvorrang, auch außerhalb sind die Grundleistungen als „unbare Abrechnung” möglich. Einige Kommunen und Bundesländer setzen bereits die Bezahlkarte ein. Die Zeitspanne für die gegenüber der deutschen Sozialhilfe reduzierten Grundleistungen ab Ankunft in Deutschland ist gerade von 18 auf 36 Monate ausgeweitet worden. Diese Ausweitung ist verfassungsrechtlich fraglich. Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von 2012 hält eine begründete Reduzierung des Existenzminimums nur bei Kurzaufenthalten für legitim.
2. Spätestens ab der Zuweisung in die Kommunen muss ein eigenes Bankkonto die Bezahlkarte ablösen und ist stets zu bevorzugen.
Die Bezahlkarte sollte – wenn überhaupt – nur in der Phase der Erstaufnahme eingesetzt werden, solange noch kein Konto eröffnet werden kann. Seit 2016 können auch Personen mit einem Ankunftsnachweis, einer Aufenthaltsgestattung und mit einer Duldung ein Basiskonto eröffnen. Das sogenannte „Konto für Jedermann“ ist eine große sozialpolitische Errungenschaft in Deutschland und der Europäischen Union, die erfolgreich in der Praxis angekommen ist. Ein Konto ist Voraussetzung für Arbeit und Ausbildung und ermöglicht die vollständige Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben in der heutigen Gesellschaft.
3. Die geplante gesetzliche Erweiterung der Bezahlkarte auf Personen, die länger als 36 Monate Leistungen im AsylbLG beziehen, ist strikt abzulehnen.
Um die Bezahlkarte auch bei den sogenannten Analogleistungen nach 36 Monaten Aufenthalt in Deutschland einzusetzen, wäre eine Verschärfung von § 2 AsylbLG erforderlich. Denn nach 36 Monaten werden Leistungen in der Höhe der normalen Sozialhilfe gezahlt. Im allgemeinen Sozialleistungsrecht gilt aber der Vorrang von Geldleistungen. Nach drei Jahren besitzen alle Leistungsempfänger:innen im AsylbLG jedenfalls ein eigenes Konto und eine Bezahlkarte ist obsolet.
Weitere Informationen
Im Positionspapier zum Herunterladen erfahren Sie, wie einzelne Bundesländer und Kommunen den Einsatz der Zahlkarte gestalten.