Ein Arzt behandelt einen Mann
Hermann Bredehorst
Wohnungs- und Obdachlosigkeit

Wissen kompakt

Die Situation obdach- und wohnungsloser Menschen, ihre Rechte und Ansprüche sowie Hilfsangebote skizziert diese Übersicht.

02.08.2023

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Hintergrund und Zahlen

Was ist der Unterschied zwischen Wohnungs- und Obdachlosigkeit?

Wohnungs- und Obdachlosigkeit werden im alltäglichen Sprachgebrauch oft verwechselt oder gleichgesetzt. Wohnungslosigkeit ist der übergreifende Begriff, Obdachlosigkeit bezeichnet lediglich einen Teil der Wohnungslosigkeit. 

Als wohnungslos werden alle Menschen bezeichnet, die über keinen mietvertraglich abgesicherten oder eigenen Wohnraum verfügen, obdachlos sind, vorübergehend bei Verwandten oder Bekannten untergekommen sind, in Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege oder in kommunalen Einrichtungen leben.

Als obdachlos werden Menschen bezeichnet, die im öffentlichen Raum wie beispielsweise in Parks, Gärten, U-Bahnhöfen, Kellern oder Baustellen übernachten oder über die jeweiligen Ländergesetze der Sicherheit und Ordnung vorübergehend untergebracht sind.

Gemeinsam haben diese Lebenssituationen, zu denen auch das Leben in Wohnungen mit gravierenden baulichen Mängeln oder eingereichte Räumungsklagen zählen, die existierende Wohnungsnot. Deshalb wird fachlich häufig von Wohnungsnotfällen gesprochen. Die dadurch ausgedrückte Vielfalt der darunterfallenden Lebenslagen dient dazu, Ausgrenzung und Hilfeausschluss zu verhindern und schlägt sich in den differenzierten Angeboten der Wohnungsnotfallhilfe nieder (siehe unten).

 

Wie viele wohnungslose Menschen gibt es?

456.560 Menschen in Deutschland sind derzeit wohnungslos. 372.000 Menschen von ihnen lebten zum Stichtag 31. Januar 2023 in Einrichtungen der Kommunen oder der freien Wohlfahrtspflege. Damit waren es mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Hinzu kommen laut dem letztjährigen Wohnungslosenbericht schätzungsweise 84.500 Menschen, die bei Freunden oder Bekannten unterkommen oder die gar keine Unterkunft haben. Die Dunkelziffer tatsächlich wohnungsloser Menschen dürfte jedoch noch um einiges höher liegen.

 

Warum werden Menschen wohnungslos?

In den meisten Fällen sind Mietschulden gepaart mit einer wirtschaftlichen Notlage Ursachen für die Wohnungslosigkeit. Oft führen kritische Lebensereignisse wie Trennung, Arbeitslosigkeit, Tod des Partners beziehungsweise. der Partnerin, Sucht oder Krankheit zu einem Wohnungsverlust.

 

Was sind die größten Herausforderungen für wohnungslose Menschen?

Leben ohne eigene Wohnung oder auf der Straße verstärkt Armut und soziale Isolation, was Menschen deprimiert und krankmacht. Aus dieser Situation herauszukommen ist schwer: Die Betroffenen sind oft nicht in der Lage, die ihnen zustehende Hilfe anzunehmen oder ungeeignete Hilfe wird ihnen aufgedrängt. Wohnungslose Menschen schämen sich oft für ihre Situation und bemühen sich, nicht als wohnungslos erkannt zu werden. Deswegen fällt Wohnungslosigkeit in der Gesellschaft nicht unbedingt auf.

Zentrale menschliche Bedürfnisse wie ausreichende und gesunde Nahrung, Wärme, aber auch Erholung, Austausch und Intimität lassen sich ohne eigene Wohnung schwer befriedigen. Schwierige hygienische Bedingungen und ein erschwerter Zugang zu gesundheitlicher Versorgung beeinträchtigen das Leben. Ein Leben ohne Perspektive auf Verbesserung lässt leichter zu vermeintlichen Problemlösern wie Alkohol oder anderen Drogen greifen und macht anfälliger für Sucht. Zudem erleben wohnungslose Menschen häufig soziale Kälte und Abneigung. Es bestehen ihnen gegenüber viele Vorurteile. Darüber hinaus behindern bürokratische Hürden eine echte Teilhabe an der Gesellschaft.

Menschen, die auf der Straße oder im Freien übernachten, werden immer wieder Ziele gewalttätiger Übergriffe.

Wohnungslose Menschen haben während der Nächte auf der Straße oder auch in vielen Notunterkünften keine Möglichkeit, Habseligkeiten oder wertvolle Gegenstände, wie beispielsweise Ausweispapiere, Dokumente, Erinnerungsstücke, zu schützen.

Die Diakonie Deutschland hat gemeinsam mit dem Evangelischen Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. (EBET) und der Alice Salomon Hochschule eine Untersuchung zu den Lebenslagen wohnungsloser Menschen durchgeführt. Die Studie unterstreicht, dass wohnungslose Menschen zu den verletzlichsten Gruppen in unserer Gesellschaft gehören. Als besonders gefährdend zeigte sich während der Covid-Pandemie die gesundheitliche Situation. Zudem befanden sich insbesondere obdachlose Menschen in einer existenziellen Armutssituation (2. Untersuchung der Lebenslagen wohnungsloser Menschen).

Hilfe für wohnungslose Menschen

Welche Unterstützungsmöglichkeiten für wohnungslose Menschen gibt es?

Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten sind im Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) in den §§67-69 geregelt. Darin heißt es: "Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, sind Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind."

Ziel der Hilfe ist aber auch, zu verhindern, dass sich die Situation verschlimmert.

Zu den Leistungen zählen: persönliche Betreuung, Beratung, Hilfen bei der Beschaffung und dem Erhalt einer Wohnung, Unterstützung beim Einstieg ins Arbeitsleben oder bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Grundsätzlich haben wohnungslose Menschen die gleichen Leistungsansprüche wie alle anderen Bürger und Bürgerinnen auch. Wenn sie arbeitslos werden, können sie also Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch III (Arbeitslosengeld) beziehungsweise Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) beziehen. Nicht erwerbsfähige Menschen haben einen Leistungsanspruch nach dem Sozialgesetzbuch XII (Sozialhilfe).

 

Welche Hilfen bietet die Diakonie?

Die Diakonie bietet rund 800 Angebote für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen im gesamten Bundesgebiet an. Zu diesen Angeboten zählen:

Darüber hinaus bietet die Diakonie mit der Kältehilfe spezielle Angebote als Schutz vor dem Erfrieren im Winter für obdachlose Menschen. In den großen Städten sind Busse unterwegs, wie der Kältebus in Berlin oder der Mitternachtsbus in Hamburg. Sie versorgen obdachlose Menschen mit heißen Getränken, Decken und Schlafsäcken. 

 

Was kann ich tun, um zu helfen?

Grundsätzlich gilt: Seien Sie aufmerksam und sehen Sie hin, wenn Sie auf einen Menschen treffen, der ungewollt und ungeschützt im Freien schläft, der hilflos ist oder sich in einer Notsituation befindet. Und zwar zu jeder Jahreszeit!

Wenn Sie vermuten, dass ein Mensch unter den Witterungsbedingungen leidet, sprechen Sie ihn höflich an und fragen, ob er etwas braucht oder Hilfe annehmen möchte.

Wenn die betroffene Person Hilfe annimmt, rufen Sie zum Beispiel einen Wärme- oder Kältebus an oder informieren Sie die Polizei mit dem Notruf 110. Wenn der Mensch hilflos wirkt, nicht ansprechbar ist oder sich in einer anderen akuten gesundheitlichen Gefahrensituation befindet, rufen Sie mit der 112 Feuerwehr/Rettungsdienst!

Manchmal hilft auch ein warmes Getränk oder eine warme Mahlzeit. Und natürlich freut sich jeder wohnungslose Mensch über ein bisschen Kleingeld. Dabei muss es ihr oder ihm überlassen bleiben, wofür sie oder er es ausgibt – auch, wenn es für Alkohol oder Tabak ist. Sie wollen schließlich auch nicht Auskunft geben müssen, wofür Sie Ihr Geld ausgeben.

Sie haben auch die Möglichkeit, Hilfeeinrichtungen zu unterstützen – egal ob mit Geld- oder Sachmittelspenden. Fragen Sie bitte vorher nach, was gerade gebraucht wird. Viele Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe sind auch immer auf der Suche nach ehrenamtlicher Unterstützung. Vielleicht ist das ja etwas für Sie.

Was ist aus Sicht der Diakonie zur Überwindung der Obdach- und Wohnungslosigkeit zu tun?

Ein individueller und geschützter Wohnraum ist entscheidend für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und sollte deshalb jedem Menschen zur Verfügung stehen. Ziel diakonischer Hilfe für Menschen in Wohnungsnot ist, sie zu stärken. Wohnungsnot ist häufig nur in der kalten Jahreszeit ein zentrales Thema in der Öffentlichkeit und in den Medien. Die Diakonie setzt sich dafür ein, das Thema während des ganzen Jahres mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken.

Angebote der Wohnungsnotfallhilfe sind in vielen Städten vorhanden. Dennoch gibt es bei weitem kein flächendeckendes Hilfenetzwerk, insbesondere fehlen regelhafte spezialisierte Angebote für Frauen und junge Erwachsene in Wohnungsnot, wie auch für ausländische Staatsangehörige. Ein solches Hilfenetzwerk ist notwendig, um eine nachhaltige Überwindung der individuellen Notlage zu erreichen.

Insbesondere im Winter stehen in Ballungsräumen zu wenige Plätze in den Notübernachtungen zur Verfügung. Zudem setzt sich die Diakonie dafür ein, wohnungslose Menschen nicht zu stigmatisieren, sondern ihnen mit Würde und Menschlichkeit zu begegnen.

Ein spezielles Anliegen der Diakonie ist, Wohnungsnot durch präventive Ansätze zu vermeiden. Dazu fordert sie den flächendeckenden Ausbau von Fachstellen zur Prävention und frühzeitige Beratung und Hilfen in schwierigen Wohnsituationen.

Ein ausreichender Bestand an bezahlbaren und für arme Menschen zugänglichen Wohnungen in jeder Kommune ist die wichtigste Voraussetzung für die erfolgreiche Bekämpfung von Wohnungslosigkeit. Dieser beugt gleichermaßen der Gefahr vor, wohnungslos zu werden. Deshalb sind günstige Rahmenbedingungen für eine soziale Wohnungspolitik ein Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Bekämpfung von Wohnungslosigkeit. Aus diesem Grund fordert die Diakonie von Bund, Ländern und Kommunen, ihrer Verantwortung für eine ausreichende Wohnraumversorgung gerecht zu werden, unter anderem durch entsprechende Förderprogramme. Die vom Bund bereitgestellten Mittel für den öffentlich geförderten Wohnraum müssen von den Ländern vollständig und zweckentsprechend eingesetzt werden und dazu dienen, Wohnraum insbesondere für am Wohnungsmarkt benachteiligte Menschen zu schaffen.

Text: Diakonie/Lars Schäfer

Kontakt

Lars Schäfer
© Hermann Bredehorst

Lars Schäfer

Wohnungsnotfall- und Straffälligenhilfe Hilfe in besonderen Lebenslagen

lars.schaefer@diakonie.de 030 652111816

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